Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Titel: Gebannt - Unter Fremdem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
Vom Netzwerk:
wandte Roar sich an Perry und hob dabei fragend eine Braue. Er wusste, dass Perry sich ihr gegenüber hingegeben hatte.
    »Warum sollte er gehen?«, fragte Aria. »Du bleibst doch, nicht wahr, Perry?«
    »Ja. Ich bleibe.« Perry überquerte das Dach und kletterte dann auf den Fahrstuhlschacht, den höchsten Punkt in Delphi, von wo aus er ihnen schweigend beim Üben zusah.
    Aria besaß eine schnelle Auffassungsgabe und war wagemutig und sicher im Umgang mit der Klinge, als habe sie nur auf eine Gelegenheit gewartet, dieses Talent zeigen zu können. Er war ein Narr gewesen, als er ihr beibringen wollte, wie man essbare Beeren fand, wo sie doch genau das hier brauchte: das Wissen, wie sie sich verteidigen konnte.
    Die Dunkelheit zwang sie, den Unterricht zu beenden. In der Ferne läuteten die Schellen der Kräher. Perry warf einen letzten Blick zum Himmel hinauf und war enttäuscht darüber, keine Veränderung entdecken zu können. Er kletterte gerade vom Fahrstuhlschacht, sorgfältig darauf bedacht, sich ein gutes Stück entfernt zu halten, als Roar und Aria auf ihn zukamen.
    Vor dem Fahrstuhl verschränkte Roar die Arme. »Gute Arbeit, Halbblut. Aber du kannst nicht einfach gehen, ohne mich zu bezahlen.«
    »Dich bezahlen ? Womit denn?«
    »Mit deinem Gesang.«
    Aria lachte – ein fröhliches, glückliches Lachen. »Also gut.« Sie gab Roar das Holzmesser, schloss die Augen, wandte das Gesicht dem Äther am Himmel zu und holte ein paarmal tief Luft. Dann schenkte sie den beiden ihre Stimme.
    Diese Arie war sanfter und ruhiger als die letzte. Auch diesmal konnte Perry die Worte nicht verstehen, aber die Stimmung, die sie erzeugten, war perfekt. Eine perfekte Arie für einen kühlen Abend auf einem von Kiefern umgebenen Dach.
    Roar beobachtete Aria, ohne dabei auch nur ein Mal zu blinzeln. Als sie geendet hatte, schüttelte er den Kopf. »Aria … das war … Ich kann nicht einmal … Perry, du hast ja keine Ahnung.«
    Perry zwang sich zu einem Lächeln. »Sie ist gut«, sagte er, fragte sich dabei jedoch, wie ihre Stimme wohl in Roars Ohren klingen musste, der unendlich mehr Töne hörte als er.
    Als sie in die beengte Kabine des Fahrstuhls traten, überfluteten Arias Gerüche seine Nase: eine Mischung aus Veilchen, Schweiß, Stolz und Kraft. Er spürte ihre Stimmung in sich aufwallen wie eine Woge der Stärke. Erneut atmete er ein und machte innerlich einen Freudensprung. Unwillkürlich wanderte seine Hand zu ihrem Rücken, und er berührte ihre Haut, während er sich gleichzeitig gelobte, das nur dieses eine Mal zu tun und sich dann von ihr fernzuhalten.
    Sie schaute zu ihm auf. Ihr Gesicht war gerötet. An ihrem Hals klebten dunkle, verschwitzte Haarsträhnen. Roar war bei ihnen, und das war auch gut so, schoss es Perry durch den Kopf. Nie zuvor hatte er sich derartig von ihr angezogen gefühlt, von der warmen Haut, die er unter seiner Hand spürte. »Du hast dich heute gut geschlagen«, murmelte er.
    Sie lächelte. In ihrem Blick lag Glut. »Das weiß ich«, sagte sie. »Danke.«

Aria   | Kapitel Zweiunddreißig
    Während sie warteten, verbrachte Aria zwei Tage damit, mit Roar zu üben. In der Ferne zogen Ätherwirbel bedrohlich über den Himmel, doch über Delphi glitten sie als gleichmäßige Ströme dahin. Ein Grund mehr, vom »Niemalshimmel« zu sprechen, dachte Aria – er tat niemals, was man wollte.
    Mit jeder Stunde, die verstrich, sank ihre Hoffnung, Lumina lebend zu finden, doch so leicht würde sie nicht aufgeben. Sie durfte sich nicht dem Glauben hingeben, dass sie allein war. Sie würde die Hoffnung niemals aufgeben – und das bedeutete, dass sie auch nie aufhören würde, sich Sorgen zu machen. Der einzige Weg aus dieser quälenden Ungewissheit bestand darin, nach Bliss zu reisen und die Wahrheit herauszufinden. Und bis dahin musste sie sich ablenken – am besten mit den Übungen im Messerkampf: Wenn sie und Roar einander auf dem Betondach gegenüberstanden, blieb kein Platz mehr für Sorgen, Schmerz oder Fragen. Deshalb übte sie von morgens bis abends mit ihm und bezahlte dafür zum Abschluss mit ihrem Gesang. Aria wusste, dass die Kräher noch immer auf sie warteten, aber zumindest hörte in der Abenddämmerung niemand mehr das Läuten ihrer Schellen.
    Denn dann lauschten alle einer Opernarie.
    Als Aria am dritten Morgen aus dem Fahrstuhl trat, war der Himmel anders, durchzogen von blauen Lichtstrudeln. Zwar glitten die Wirbel über ihr ruhig dahin, aber am Horizont wirkten sie heller

Weitere Kostenlose Bücher