Gebannt - Unter Fremdem Himmel
will dir beibringen, wie du selbst Nahrung finden kannst«, erwiderte er mit einem bedeutungsvollen Blick auf den Zweig und fragte sich, ob sie ihn im nächsten Moment auslachen und einen Barbaren nennen würde. »Wenn du weißt, wo etwas wächst, und die Form der Blätter erkennst, wirst du bald identifizieren können, was essbar ist und was nicht. Bis dahin musst du allerdings immer erst einmal ein kleines Stück zerdrücken und daran riechen«, erklärte er und warf Aria einen verstohlenen Blick zu: Sie hatte sich aufrecht hingesetzt und wirkte aufmerksamer. Erleichtert pflückte er eine Beere und reichte sie ihr. »Wenn sie nussig und bitter riecht, iss sie lieber nicht.«
Aria brach die Waldfrucht auf und neigte den Kopf, um an ihr zu schnuppern. »Sie riecht weder nussig noch bitter.«
»Gut. Das stimmt.« Die Brombeere, die er tief versteckt in einem Dornengestrüpp aufgespürt hatte, roch süß und reif. Perry konnte die Beere perfekt riechen. Aus dieser Nähe nahm er auch Arias Geruch erneut wahr. Veilchen. Ein Geruch, von dem er nicht genug bekommen konnte. Und dann war da noch ihre Stimmung, klar und kräftig und zum ersten Mal an diesem Tag nicht voller Wut oder Widerwillen. Die Nuancen, die von ihr ausgingen, waren frisch und klar wie Minze.
»Als Nächstes überprüfst du die Farbe. Wenn die Beere weiß ist oder einen milchigen Saft absondert, wirf sie lieber weg.«
Aria untersuchte die Beere genau. Er sah, wie ihr Verstand arbeitete und die Information speicherte. »Das hier sieht dunkelrot aus.«
»Ja. Bis jetzt sieht es ganz gut aus. Dann zerreibst du sie auf deiner Haut. Zarte Haut ist am besten.« Er wollte gerade ihre Hand nehmen, als ihm einfiel, wie sehr sie es hasste, angefasst zu werden. »Die Innenseite deines Arms. Genau hier.« Er zeigte ihr die Stelle an seinem eigenen Arm.
Vorsichtig zerdrückte Aria die Beere an der Innenseite ihres Handgelenks. Die Frucht hinterließ auf ihrer Haut eine klare rote Linie aus Saft. Perry runzelte die Stirn, als sein Herz einen Moment aussetzte. Dann zwang er sich, wieder eine unbeteiligte Miene aufzusetzen.
»Nun wartest du ein Weilchen. Wenn du keinen Ausschlag entdeckst, kannst du sie an die Lippen führen.«
Er beobachtete, wie sie die Beere kurz auf ihre Unterlippe drückte. Und auch danach konnte er den Blick nicht von ihrem Mund abwenden. Ihm war klar, dass er wegschauen sollte, doch das gelang ihm nicht. »Okay. Gut. Wenn sich kein Brennen bemerkbar macht, kannst du dir die Beere auf die Zunge legen.« Noch bevor er den Satz beendet hatte, sprang er auf und wäre dabei fast über seine eigenen Beine gestolpert. Nervös fuhr er sich mit der Hand über den Kopf; er hatte das dringende Bedürfnis, zu lachen, wegzurennen oder sonst irgendetwas zu unternehmen. Stattdessen hob er einen Stein auf und warf ihn in den Bach, um das Bild von ihr, wie sie die Beere kostete, aus seinen Gedanken zu verdrängen. Und um sich davon abzuhalten, ihren Geruch tief in die Nase zu saugen – so, wie er es eigentlich liebend gern gewollt hätte.
»Ist das alles?«, fragte sie.
»Was? Nein.« Er konnte an nichts anderes mehr denken als an ihren Anblick in der Nacht des Äthersturms. Die Rundungen ihrer nackten Haut, fest an ihn gepresst. Schließlich riss er sich zusammen: »Dann schluckst du eine kleine Menge der Frucht und wartest ein paar Stunden, ob sie dir bekommt. Okay, nun weißt du also, wie du Beeren identifizieren kannst. Und jetzt müssen wir weiter«, fügte er hinzu, blieb aber mit verschränkten Armen stehen, unschlüssig, was er als Nächstes tun sollte. Ihm war klar, dass er sie mit einem sonderbaren Blick betrachtete. Ihm war auch sonderbar zumute. Sehr sonderbar. Bisher hatte er sie gar nicht als Mädchen wahrgenommen, sondern immer nur als Maulwurf gesehen. Aber jetzt konnte er gar nicht mehr damit aufhören, sie ganz und gar als Mädchen zu betrachten.
Und Aria erwiderte seinen Blick – die Brauen gewölbt, die Mundwinkel verzogen, einen zwiespältigen, angespannten Ausdruck auf dem Gesicht. Sie machte sich über ihn lustig.
Perry lachte. Das Gefühl des Lachens ließ seine breiten Schultern zucken. Wann hatte zuletzt jemand mit ihm herumgealbert? Die Antwort musste er nicht lange suchen: Das war Talon gewesen.
»Also ist das hier eine essbare Beere?«, fragte Aria und hielt die Waldfrucht in die Höhe.
»Ja. Sie ist essbar.«
Sie steckte sie sich in den Mund und aß sie. Dann lächelte sie und hielt ihm den Zweig entgegen.
»Nur
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