Gebieter der Träume
kenne, bin ich mir sehr sicher, dass sie sich nicht einfach so zur Schlachtbank führen lassen. Stattdessen würden sie einen gigantischen Kampf vom Zaun brechen – und vom gesamten Pantheon würde nur eine übrig bleiben.«
»Apollymi.«
Er nickte.
Ein gemeiner Gedanke durchfuhr sie. »Dann könnte sie ihr Versprechen wirklich erfüllen? Sie könnte dich retten und den Ruf meines Vaters wiederherstellen, ohne dass irgendjemand dabei zu Schaden käme?«
Er nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und blickte sie aufmerksam an. »Hör mir zu, Megeara, die Götter handeln niemals selbstlos. Keiner von ihnen hilft irgendjemandem, ohne dass für ihn etwas dabei herausspringt. Frag dich einmal, was Apollymi von dir will.«
»Ihre Freiheit.«
Er schüttelte den Kopf. »So einfach ist es nie, Liebste. Apollymi will Rache, und es ist ihr egal, wer dafür leidet. Wenn sie je freigelassen wird, wird sie die ganze Welt zerstören. Die ganze Welt. Niemand wird in der Lage sein, sie aufzuhalten. Deshalb ist sie gefangen, und deshalb sind alle darauf erpicht, sie dort zu halten.« Sein Blick wurde intensiver. »Sie darf niemals mehr freikommen.«
Geary begriff das. Es ergab einen Sinn. Und doch war sie so nahe am Ziel! Ihr Vater hatte recht gehabt, und sie konnte es zweifelsfrei beweisen. Sie konnte seinen Ruf retten …
Aber zu welchem Preis? War es das wert?
Und noch immer lockte Apollymi in ihrem Kopf mit Racheversprechungen.
Die Rache zerstört nur denjenigen, der sie hegt.
Geary hielt inne, als sie sich erinnerte, dass ihr Großvater ihr das einmal in New York gesagt hatte, nachdem sie in die Staaten zurückgekommen war. Während des Zweiten Weltkriegs war seine gesamte Familie von einer marodierenden Gruppe von Nazis abgeschlachtet worden, die zufällig während seiner Geburtstagsfeier auf sie traf. Damals war er neun Jahre alt gewesen und von ihnen verwundet, geblendet und zurückgelassen worden, weil sie ihn für tot hielten.
Während er bewusstlos gewesen war, geschützt durch die leblosen Körper seiner Familie, war ein geheimnisvoller Mann gekommen und hatte ihn gerettet. Der Mann hatte ihren Großvater verarztet und ihn nach Amerika gebracht, wo er ein neues Leben beginnen konnte.
Als zorniger Teenager hatte Geary ihren Großvater gefragt, ob er jemals an diejenigen gedacht hätte, die ihm alles genommen hatten.
Ihr Großvater hatte ihr liebevoll die Hand getätschelt. »Natürlich denke ich daran, Megeara. Es vergeht seitdem kein Geburtstag, an dem ich nicht die Schüsse höre, an dem ich nicht sehe, wie sie die Tür unserer Hütte eintreten, um uns alle zu töten. Das Letzte, was ich gesehen habe, bevor sie mir das Augenlicht nahmen, war meine Mutter, die starb, als sie mich zu schützen versuchte. Meine vierzehnjährige Schwester wurde weggezerrt, sie haben sie vergewaltigt und umgebracht. Glaubst du wirklich, meine Kleine, dass ich mich nicht immer an diesen Tag erinnere und mich frage, warum ich als Einziger überlebt habe? Ob ich nicht besser dran gewesen wäre, wenn ich auch umgekommen wäre? Und doch bin ich hier, und ich bin dankbar dafür. Denn wenn ich an diesem Tag gestorben wäre, dann gäbe es dich nicht.«
Sie fühlte den Rachedurst in sich brennen. »Ich hätte mich an ihnen gerächt. Ich hätte erst wieder richtig leben können, wenn sie für ihre Verbrechen bezahlt hätten.«
Er hatte auf seine verständnisvolle Art genickt. »Ich habe auch daran gedacht, und ich bin sogar so weit gegangen, dass ich nach dem Krieg eine Fahrt zurück nach Europa gebucht habe, um sie zu finden.«
»Aber du bist nicht gefahren.«
»Nein. Mein rettender Engel« – das war seine Bezeichnung für den Mann, der ihn nach Amerika gebracht hatte – »ist wieder zu mir gekommen, als ob er wüsste, was ich vorhabe. Er hat mir gesagt, dass es unsere Handlungsweisen sind, die bestimmen, ob wir zerstört oder gerettet werden. Wir haben die Wahl. Er sagte, er habe mich an jenem Tag nicht gerettet, damit ich nun sterben sollte. Und er sagte mir, dass die Rache nur denjenigen zerstört, der sie hegt. Wenn ich mich entschließen sollte, zu reisen, dann würde er mich nicht aufhalten. Aber er fragte mich, ob die Leben, die ich ihnen nehmen wollte, das Leben aufwiegen würde, das ich hier führen könnte, fern von Hass und Angst. Also habe ich mich entschlossen hierzubleiben und habe die Vergangenheit ruhen lassen. Und weil ich hiergeblieben bin, habe ich deine Großmutter kennengelernt und habe euch alle bekommen, die
Weitere Kostenlose Bücher