Gebieter des Sturms (German Edition)
dass es dir gut geht.«
Gut? Gut war eine Eiswaffel an einem warmen Nachmittag, eine Pressekonferenz, in der keine Katastrophen passierten, oder einfach nur ein weiterer verdammter Tag, an dem es ihr Onkel nicht geschafft hatte, sie umzubringen. Wie sie sich in diesem Moment fühlte, war viel zu verworren, um einfach nur gut zu sein. Sie war außer sich vor Glück, wahnsinnig verängstigt und vollkommen bewegungsunfähig.
»Ich bin okay«, sagte sie ins Kissen hinein. »Aber alle meine Muskeln sind zu Wackelpudding geworden. Ich könnte Hilfe brauchen.«
Er küsste ihre Schulter. »Natürlich. Nur eine Sekunde.«
In seiner Stimme hörte sie ein erfreutes Lächeln, das sehr männlich klang, was wiederum sie zum Lächeln brachte.
Mit leichten, zärtlichen Berührungen und einem Stück Stoff tupfte er sie trocken. »Ich hoffe, das ist nicht dein T-Shirt, du Wahnsinniger, denn dank dir habe ich sonst nichts anzuziehen«, murmelte sie. Sie gähnte. So viele Dinge erschienen unmöglich. Gehen. Von hier nach … na ja, irgendwohin zu kommen. Eine Entscheidung zu treffen. Anderen Leuten gegenüberzutreten.
Bei dem Gedanken zog sie eine Grimasse. Wie ekelhaft!
Er sagte: »Ich benutze die Innenseite deines Kleids.«
»Okay.« Als er fertig war, schaffte sie es, sich von der Couch hochzustemmen. Sie hatte nicht gescherzt, was ihre Wackelpuddingmuskeln anging. Alles an ihr zitterte. Irgendwann musste sie auch die Schuhe abgestreift haben.
Er reichte ihr sein T-Shirt. Sie wendete den zusammengeknüllten Stoff in den Händen, während ihr erschöpftes Hirn versuchte, die Löcher für Kopf und Arme ausfindig zu machen. Als sie es schließlich herausgefunden und das Shirt übergezogen hatte, trug Tiago schon wieder seine Hose und schloss gerade die Gürtelschnalle. Das indirekte Licht aus dem Flur fiel auf die breite Wölbung seines Rückens und seiner Schulter, auf seine hohen Wangenknochen und die hagere Wange. Er bewaffnete sich, legte die beiden Pistolen und das Messer in der schmalen Scheide an. Mit den Armholstern, die er über seine bloße Brust geschnallt hatte, schien er sich vollkommen wohlzufühlen. Er ließ die Schultern kreisen, um sie zu lockern.
Bei seinem Anblick atmete sie tief ein und geriet ins Schwanken. Er legte den Kopf schief und sah sie mit hochgezogener Braue fragend an.
»Ich kann nicht, oh Gott, ich kann nicht«, erklärte sie ihm. »Aber ich will es.«
Ein weißes Lächeln blitzte in seinem Gesicht auf und erhellte seine Züge, energiegeladen und wachsam. Er kam zu ihr herüber, hob ihr Kinn an und küsste sie kurz. »Du siehst großartig und zum Anbeißen aus, und ich will es auch«, sagte er.
Sie sah an sich hinunter und schnaubte: »Ich sehe aus wie ein Wrack.«
Er ließ einen Finger seitlich an ihrem Hals hinuntergleiten und sah sie dabei prüfend an. Ihr seidiges schwarzes Haar war zerzaust, und er hatte sämtliches Make-up aus ihrem Gesicht geküsst. Ihre ungeschminkten Lippen sahen zerbissen, geschwollen und tief gerötet aus, und ihre Augen waren von Erschöpfung gezeichnet, auch wenn ein ironisches Lächeln darinlag. Sein schwarzes T-Shirt reichte ihr bis zu den schmalen Knien und war an Hals und Ärmeln viel zu weit. Auf Finger- und Zehennägeln trug sie rosa Nagellack. Sie sah aus wie eine Frau, die sehr gründlich geliebt worden war. Seine Lenden verhärteten sich, als er an all die Stellen an ihrem köstlichen Körper dachte, die er noch nicht erkundet hatte.
»Du bist mein Wrack«, sagte er zu ihr. »Und du bist schöner denn je.«
Mit leuchtenden Augen sah sie ihn an. Als sie den Blick in Richtung Flur wandte, verblasste das Leuchten und wurde durch Anspannung und Schatten ersetzt. Sie seufzte. Er konnte förmlich sehen, wie sie die Bürde ihrer Reise wieder aufnahm. Es war ein verschlossener, einsamer Ausdruck. Sie hatte ihn als Partner akzeptiert, aber dass er sie auf ihrer Reise begleiten würde, war noch nicht zu ihr durchgedrungen. Es brauchte Zeit, das wusste er.
Sie bückte sich, um ihre Schuhe aufzuheben, und ging auf die Tür zu.
Er legte ihr die Hand auf den Arm. »Was hast du vor?«
Verwirrt blinzelte sie ihn an. »Wir brechen auf, oder etwa nicht?«
Er deutete mit dem Kinn auf ihre Schuhe und hob die Brauen.
Niniane folgte seinem Blick. Oh nein! Ihre Beinmuskeln waren so überlastet, dass sie sich nicht vorstellen konnte, auf etwas zu balancieren, das höher als der Boden war – und auch der Boden selbst war schon heikel. »Ich kann nicht.«
»Du wirst
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