Gebieter meines Herzens: Sie war einem anderen versprochen - doch er entflammte ihre Leidenschaft (German Edition)
wahr.
Ihre Handrücken waren sonderbar empfindlich, ebenso die Handgelenke. Die Volants ihrer Halbärmel störten sie, die Spitzenmanschetten kratzten sie. Sie wünschte sich, von etwas Weichem, Kissenartigem umhüllt zu sein.
Riona fasste sich an die Kehle. Ob sie krank würde? Ihr Hals fühlte sich an, als machten hundert unvergossene Tränen darin ihr das Schlucken schwer. Ihre Augen brannten, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen. Und wenn sie schlief, dann träumte sie. Aber keine normalen Träume wie früher. Von James und von Küssen, die so berauschend waren, dass ihr Körper beim Erwachen vor Sehnsucht glühte.
Als sie ein Geräusch hörte und sich umdrehte, sah sie James im Raum stehen und stieß resigniert einen tiefen Seufzer aus.
»Was ist Euch, Riona?«
Sie wandte sich wieder den Büchern zu, studierte angelegentlich die Rücken. Was ist Euch? Wenn sie das wüsste, könnte sie das Problem angehen und vielleicht eine Lösung dafür finden. Oh, aber sie wusste es doch, oder?
Was ist Euch? Was fühlte sie? Verliebtheit? Liebe? Verlangen? All das und vielleicht noch mehr. Gefühle, die sie nicht empfinden sollte – nicht für diesen Mann.
»Bitte geht, James.«
»Ist Euch nicht wohl?«
Warum waren alle so besorgt ob ihres Gesundheitszustandes? Sie hätte ihm gerne geantwortet: entsetzlich unwohl, mein liebster James, und das Heilmittel seid Ihr. Aber diese Worte durfte sie eigentlich nicht einmal denken, geschweige denn aussprechen.
»Doch, doch«, antwortete sie leichthin. »Es ist alles in Ordnung.«
»Warum habt Ihr den Salon dann so überstürzt verlassen? Warum wart Ihr beim Abendessen so schweigsam?«
Während sie ihn ansah, gingen ihr eigene Fragen durch den Kopf.
Warum war ausgerechnet er nach Tyemorn Manor gekommen? Warum dieser Mann mit den blauen Augen und den breiten Schultern? Warum er mit seinem Sinn für Humor und Fairness, Loyalität und Ehre? Warum James mit seiner Fähigkeit, ihr mit einem Kuss die Vernunft zu rauben?
»Ihr solltet zu den anderen zurückkehren. Rosalie und Caroline werden Euch schon vermissen.« Damit wandte sie sich wieder den Büchern zu, um ihn nicht hinausgehen zu sehen. Sie hörte seine Schritte, doch die kamen näher .
»Bitte geht, James.«
Er blieb stehen, und sie umklammerte mit beiden Händen das Bord, vor dem sie stand, um sich nicht in James’ Arme zu werfen. Lieber Gott, hilf mir, flehte sie inständig, denn sie war zu schwach, sich selbst zu helfen.
»Verzeiht mir«, sagte er frostig. »Ich war nur besorgt um Euer Wohlergehen.«
Sie schloss die Augen und betete um Standhaftigkeit.
Er legte die Hände auf ihre Schultern, und sie lehnte sich rückwärts an ihn. Nur für einen Moment. Nur lange genug, um ihn zu spüren. Dann straffte sie sich und drehte sich zu ihm um.
»Liegen Euch überall die Frauen zu Füßen, James?«
Er schien verblüfft. »Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.«
»Was ist mit den Frauen von Gilmuir? Wie geht Ihr mit denen um?«
»Ich begegne allen Frauen gleich«, erwiderte er. »Mit Freundlichkeit.«
»Und Galanterie«, setzte sie hinzu. »Und Charme, zweifellos. Bei jedem anderen Mann würde man das nur als Höflichkeit verstehen. Bei Euch empfindet man es als überwältigend.«
»Das glaube ich nicht.«
»Aber es ist so«, insistierte sie. »Ich habe heute beim Abendessen selbst gesehen, wie Euer Charme wirkt.« Und es selbst empfunden.
Ihre Worte schienen ihn zu erschrecken. Vielleicht war es auch nur ihr bitterer Ton.
Er trat ein paar Schritte zurück und deutete eine Verbeugung an. »Verzeiht mir«, sagte er noch einmal. »Ich wollte Euch nicht stören.«
»Aber das habt Ihr getan.« Demonstrativ wandte Riona ihm den Rücken zu. Sie verbrachte tagsüber entschieden zu viel Zeit damit, über ihn nachzudenken, nach ihm Ausschau zu halten, und auch in ihren Träumen war sie ständig mit ihm beschäftigt.
Hinter ihr wurde leise die Tür geschlossen. Er war gegangen. Erst jetzt konnte sie sich entspannen.
Rory schnarchte. Das Geräusch deutete auf einen tiefen Schlaf hin. Offenbar war der Junge völlig erschöpft gewesen.
James lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, auf dem Rücken und starrte an die Decke. So müde, wie er war, hätte er eigentlich leicht einschlafen müssen. Stattdessen sah er Riona vor sich, wie sie ihm vorhin in der Bibliothek begegnet war. Kurz angebunden, beinahe unhöflich, so gar nicht wie die Frau, als die er sie kannte.
Je näher ihre Hochzeit rückte, umso mehr
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