Gebieterin der Finsternis
Elfenfeuer in der Hand formen.
Nichts geschah.
Stirnrunzelnd schritt er weiter zur Mitte des Raumes.
»Hallo?«
Keine Antwort. War der Höllenfürst aushäusig? Mac fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sollte Luzifer nicht in seiner Höhle sein, wo wollte Mac dann nach ihm suchen?
Er erschrak, als eine skelettartige Hand aus dem Ohrensessel gestreckt wurde und in die Porzellanschale griff. Die dürrenFinger tauchten hinein und angelten einen kleinen Brocken heraus. Eine Erdnuss? Dann verschwand die Hand wieder hinter der Ohrensessellehne. Mac hörte ein knackendes Kauen.
Danach herrschte Stille.
Mit großen Schritten ging Mac zum Kamin und wandte sich dem Sessel zu.
Luzifer blickte nicht einmal auf.
Schweigend betrachtete Mac den Höllenfürsten. Satan, stellte er fest, sah eigentlich nicht wie das leibhaftige Böse aus. Eher wie ein exzentrischer alter Onkel. Über seinen tiefliegenden Augen wölbten sich buschige Brauen, unter der Hakennase war ein schmallippiger Mund, und das Kinn ragte leicht vor. Trotz der Wärme des Kamins war der gebrechlich scheinende Teufel in eine dicke Strickjacke mit Rautenmuster gehüllt. Eine braune Hose schlackerte um seine knochigen Beine, und die Füße in Wollsocken ruhten auf einem Polsterhocker. Daneben standen Hausschuhe.
Ein kratzender Laut drang aus der Kehle des Teufels, bevor er ausspuckte. Der zerkaute Brocken landete klimpernd im Spucknapf.
Mac räusperte sich. »Sir?«
»Ruhe.« Der Befehl kam leise, aber bestimmt. Luzifer hob nochmals die Hand und griff in die Porzellanschale. Nun sah Mac hinein.
Ihm wurde speiübel.
Das waren keine Erdnüsse. Ganz und gar nicht.
Luzifers Finger fischten in der Schale, und Mac war nahe genug, um die leisen, verängstigten Schreie der Teufelsbeute zu hören. Leichen – ehedem lebendig und menschlich, jetzt auf die Größe von kandierten Nüssen geschrumpft – krabbeltenpanisch umher, um Luzifers Krallen auszuweichen. Eine schaffte es nicht. Zwischen Daumen und Zeigefinger des Teufels eingeklemmt, zappelte der Verdammte hektisch und schrie, was jedoch nur ein unverständliches Quieken war.
Luzifer hielt sein Opfer ins Licht, lächelte dünnlippig auf die fuchtelnde, flehende Seele und steckte sie sich in den Mund. Sein Kiefer malmte, und ein seliger Ausdruck trat auf sein Gesicht. Als die Schreie des Toten schließlich verstummten, beugte Luzifer sich vor und spie ihn aus.
Der kleine Brocken fiel klirrend in den Spucknapf, wo er für kurze Zeit stöhnend liegen blieb. Dann rappelte der winzige Tote sich hoch und verschwand.
»Fragst du dich, was mit ihm passiert ist?« Satan zeigte auf die Porzellanschale. »Er ist wieder bei den anderen. Dort wartet er und fragt sich, wann er das nächste Mal ausgewählt wird.«
Mac schluckte. »Raffiniert.«
»Hast du Mitleid mit ihm?«, fragte der Teufel, der ihn zum ersten Mal ansah.
»Ja.«
»Überflüssig. Er verdient seine Strafe, wie sie alle.«
Mac nickte. Daran zweifelte er nicht.
»Du gehörst nicht in die Hölle, Manannán mac Lir. Schon gar nicht in meine Privatgemächer. Warum bist du hier?«
»Ich bin sicher, dass du das bereits weißt.«
Luzifers Lippen zuckten. »Richtige Antwort. Deshalb werde ich dich nicht sofort vernichten.« Er legte eine Pause ein. »Du hast daran gedacht, gegen mich zu kämpfen.«
»Ich hatte gedacht, ich versuch’s.«
»Das schlag dir gleich aus dem Kopf. Du kannst es gar nicht. Hier wirkt keine Magie von draußen.«
Ja, so viel wusste Mac schon. Als er in sich hineinfühlte, war nichts dort. Keine Lebens-, keine Todesmagie. Nichts außer … Sterblichkeit.
»Du willst eine Seele, die in Ptolomaea versteckt ist«, fuhr der Teufel fort, »und sicher wieder mit den beiden Frauen in deiner Obhut in die obere Welt zurückkehren.«
»Ja.«
»Du bist nicht dumm, also weißt du, dass dein Wunsch einen Preis hat.«
»Ja, das weiß ich.«
»Er wird dir nicht gefallen.«
Mac verschränkte die Arme vor der Brust und sah Satan in die Augen. »Ganz sicher nicht. Dennoch zahle ich ihn.«
Der Teufel lächelte. »Ausgezeichnet.«
Warum brauchte er so lange?
Artemis wagte nicht, ihre Augen vom Portal abzuwenden, das in Luzifers Höhle führte. Mac war schon seit … sie hatte keine Ahnung, wie lange er weg war. Inzwischen war ihr jedwedes Zeitgefühl abhandengekommen. Aber sie wollte ihn zurück, jetzt!
Leanna würde nicht mehr lange durchhalten. Die Brandwunden auf ihren Beinen sahen böse aus, und sie war nur noch halb bei
Weitere Kostenlose Bücher