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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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seine fehlende Festanstellung oder angebliche Bindungsunfähigkeit, als müsse man nach drei Wochen bereits das Zusammenziehen planen. Manchmal war irgendwas auch nur eine Kleinigkeit, die sie gerade an seinem Vater störte. Dabei zogen sich diese telefonischen Befragungen länger hin, als die Beziehungen gedauert hatten, und wurden garniert mit gut gemeinten Ratschlägen und der Feststellung, man müsse in Beziehungen auch etwas investieren, man müsse darum kämpfen und sich bemühen, man müsse Kompromisse eingehen und dürfe nicht zu früh aufgeben!
    »Nein, Mama«, murmelte er über seine dampfende Tasse hinweg. »Man muss nicht krampfhaft versuchen, etwas vierzig Jahre zu erhalten, das nach zwei Wochen schon nicht mehr funktioniert. Was der Mensch zusammengefügt hat, das darf er auch trennen.«
    Vorsichtig nahm er einen ersten Schluck, dann holte er sein Handy aus dem Flur. Sollte seine Mutter doch sagen, was sie wollte, gestern erst hatte ihm eine junge Frau ihre Nummer gegeben. Eine Studentin, fünftes Semester Jura und trotzdem ungekünstelt. Hübsch, lebendig und mit großen dunkelgrünen Augen. Ihr helles Lachen hatte ihn sofort begeistert, die doppelten Grübchen und das schelmische Strahlen der Augen. Sie kam aus dem Rheinland und hatte den Karneval vehement gegen alle anwesenden Berliner, Schwaben und Bayern verteidigt: »Das hat nichts mit eurem Fasching zu tun, das ist eine Mischung aus Loveparade und altrömischen Saturnalien.«
    Alex flirtete gern und oft, doch gestern hatte er dabei ein Kribbeln im Bauch gespürt, das seinen ganzen Körper erfasst hatte, als sie ihm ihre Nummer gegeben hatte.
    Mit einem lockeren Spruch und süß-debiler Verwirrung im Hirn hatte er die Nummer gespeichert, aber jetzt war ihm ihr Name einfach entfallen ... Das konnte doch nicht wahr sein! Sein Schädel pochte, er starrte auf das kleine Display, aber ihm wollte einfach nichts einfallen. Wie hatte sie nur geheißen? Er konnte jetzt doch nicht alle Namen durchklicken, dafür hatte er zu viele im Speicher.
    Fluchend trank er noch einen Schluck Kaffee. Langsam wurde er wach, doch der Kopf blieb schwer und leer. Ihre Freundin hatte Sandy geheißen, daran konnte er sich noch genau erinnern. Solche ostdeutschen Namen fielen ihm als Wessi noch immer auf.
    »Lisa!« Er schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Lisa, klar! Wie hatte er das nur vergessen können? An das ganze Gespräch mit ihr konnte er sich noch erinnern, oder zumindest an so viel, wie der Alkohol zuließ. An jedes Lachen und Lächeln. Nüchtern hätte er alles behalten, auch ihren Namen.
    »Lisa«, murmelte er noch einmal, dann klingelte erneut das Telefon.
    Niemand, der ihn kannte, rief ihn vor 14 Uhr an, auch nicht an einem Mittwoch. Na ja, niemand außer seinen Eltern.
    »Wehe, das ist ein Telefonanbieter oder eines dieser Sie-haben-garantiert-gewonnen- Bänder«, brummte er, stapfte ins Wohnzimmer und nahm das Telefon aus der Station. Oder eine Umfrage, die ihn garantiert nur eine Minute Zeit kosten würde. Er sollte sich endlich ein Gerät kaufen, das die Nummer des Anrufers anzeigte.
    »Ja? Gruber«, meldete er sich und schlurfte zurück zu seinem Kaffee.
    »Hab ich dich geweckt? Hier Salle.«
    Alex hatte ihn an seiner weichen Stimme und dem jovialen Tonfall sofort erkannt. Vor Jahren hatte er mit Salles damaliger Freundin und heutigen Exfrau Birgit studiert, seitdem standen sie in losem Kontakt. Inzwischen fast ausschließlich beruflich.
    »Ich sitz schon beim Kaffee ... Was gibt’s?«
    »Ich hätte was für dich. Wir bräuchten bis Freitag einen längeren Artikel über Satanisten in der Gothic-Szene, etwa neuntausend Anschläge.« Erwin Salzgruber, Salle, war Feuilleton-Redakteur der Berliner Allgemeinen und schusterte Alex hin und wieder einen Auftrag zu. Wenn es um dunkle Musik, dunkle Bücher, dunkle Filme oder dunkle Comics ging, oder eben die dazugehörigen Jugendkulturen. Für ihn war Alex der freie Mitarbeiter fürs Dunkle. »Einfach eine Handvoll Beispiele aus den letzten zehn, zwanzig Jahren zusammenfassen, ein paar Verbindungen ziehen. Es soll keine komplexe Analyse der Szene werden, nur das Wesentliche anreißen, vor allem das Dramatische ihrer Taten betonen, du weißt schon: Von der Teufelsanbetung über Tieropfer auf dem nächtlichen Friedhof bis hin zum Ritualmord. Du kennst dich da ja besser aus als ich, sollte ein Klacks für dich sein. Wenig Recherche, leicht verdientes Geld.«
    »Ich schreib eigentlich ungern, ohne zu

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