Gebissen
anderes, hierauf war sie auch stolz.
Sie war auserwählt.
Die Uhr an der Mikrowelle zeigte 02:51 Uhr.
Rasch schlüpfte sie in Herberts Gartenschuhe, ging hinaus in die Garage und holte den großen Ersatzkanister in die Küche. Versonnen spülte sie ihn aus und trocknete ihn von außen ab, dann nahm sie das große Messer aus dem Block, Edelstahl, ein Weihnachtsgeschenk von Herbert. Die Klinge war sicherlich über zwanzig Zentimeter lang, drei Finger breit und so blank, dass sie sich in ihr spiegeln konnte. Trotzdem wischte sie noch einmal mit dem Geschirrtuch drüber. Lächelnd ging sie mit Messer, Kanister und dem alten orangefarbenen Plastiktrichter zurück ins Schlafzimmer.
Herbert schlief noch immer.
Ein paar Atemzüge lang verharrte sie neben ihrem schlafenden Mann, betrachtete sein entspanntes Gesicht, das tief im Kissen versunken war. Sie wartete noch einen Moment, aber als er ihr keine dem Traum widersprechenden Anweisungen gab, kniete sie sich neben Herbert auf den Boden, hielt ihm den Mund mit der Hand zu, wie sie es manchmal tat, wenn er zu laut schnarchte, und durchschnitt ihm mit einem ergebenen Seufzen die Kehle. Er zuckte kurz, strampelte mit den Beinen, röchelte, dann war es vorbei.
Sie krallte ihre Finger in sein dichtes Haar und hob den Kopf über die Bettkante hinaus, ließ das Blut durch den Trichter in den Kanister laufen. Zärtlich strich sie ihm eine widerspenstige Strähne aus der Stirn und wartete, bis der letzte Tropfen herausgeflossen war. Dann schnitt sie ihm Handgelenke und Füße auf, um zu schauen, ob dort noch etwas Blut zu holen war, presste so viel aus seinen Adern, wie sie konnte. Schließlich schob sie seine Gliedmaßen zurück unter die Decke und bettete den Kopf wieder auf das weiche Kissen.
Sie nahm Messer, Trichter und Kanister und ging hinüber ins Kinderzimmer, um den Kanister mit Anne-Marie zu füllen. Auch sie zuckte nur kurz, strampelte mit ihren kurzen dünnen Beinchen, als hätte sie einen Alptraum. Doch viel Blut bekam sie aus ihrer Tochter nicht heraus, gerade einmal halb so viel wie aus Herbert, sie war noch klein, gerade erst eingeschult und dabei noch so schmächtig.
Danach duschte sie, zog sich das gute dunkelblaue Kostüm an, schminkte sich und trug das frische Parfüm auf, das sie von ihrer Mutter für den Frühling bekommen hatte. Nach kurzem Zögern entschied sie sich für die Goldkette mit dem Bernsteinanhänger, heute war ein besonderer Tag, und schleppte Kanister und Trichter in den Kofferraum. Dann stieg sie ins Auto, verstaute das sorgsam gereinigte Messer im Handschuhfach und fuhr nach Kreuzberg. Montagmorgen um diese Zeit war nicht viel los, da fühlte sie sich auf den Straßen sicher.
Am Südstern hielt sie an und schlenderte mit dem Kanister zur neugotischen Kirche hinüber, die sich hier auf einer schmalen Insel zwischen zwei Straßen erhob. Sie ging zur Rückseite und kämpfte sich zwischen die Büsche. Auf das Kostüm konnte sie jetzt keine Rücksicht nehmen, vielleicht wären aber flache Schuhe besser gewesen.
Er hatte gesagt, sie solle die Pflanzen hier mit dem Blut ihrer Familie nähren. Sie schraubte den Deckel vom Kanister und kippte ihn, um die Wurzeln des stärksten Buschs zu gießen. Doch das Blut war geronnen, kein Tropfen fiel auf die Erde.
»Oh, mein Gott«, hauchte sie. Sie hatte versagt! Bleich vor Scham und Angst starrte sie auf den festen rotbraunen Block im Kanister. Ihr Herz drohte stehenzubleiben.
»Nein, nein«, stieß sie hervor und rannte zurück zum Auto. Gut, dass sie das Messer mitgenommen hatte. Hastig holte sie es aus dem Handschuhfach.
Zurück unter den Büschen, schnitt sie den Kanister in zwei Hälften, dann löste sie bedächtig seine Überreste vom Blutklumpen und begann, die Erde zwischen den Wurzeln aufzuwühlen. Sie grub ein Loch, das sicherlich einen halben Meter tief war, oder zumindest annähernd. Anschließend hackte sie den Blutklumpen klein und warf die einzelnen Brocken hinab, bevor sie wieder alles mit Erde auffüllte und festtrat.
Die ersten Vögel des Tages begannen zu singen.
Sorgsam sammelte sie jeden Fetzen des Kanisters ein, brachte alles, auch das Messer, zurück zum Auto und fuhr nach Hause. Vor der Arbeit sollte sie noch mal duschen und sich umziehen, außerdem musste sie sich auch noch um Herbert und Anne-Marie kümmern. Wenn sie in Arbeit und Schule vermisst wurden, durften sie nicht mehr im Bett liegen. Sie wollte gründlich sein, wenn sie sie wegbrachte, und auf keinen Fall
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