Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
Vom Netzwerk:
spröden Lippen und drehte sich wieder um. Er zwang sich, die Augen geschlossen zu halten, doch er konnte nicht wieder einschlafen, zu viele Bilder aus seinen Träumen taumelten in seinem Kopf durcheinander, immer wieder sah er sich Lisa beißen, obwohl sie ihn anflehte. Musste ihn das jetzt auch im Schlaf verfolgen? Konnte er nicht wie früher davon träumen, dass ihm ein durchgeknallter Arzt die Fingernägel mit einer Pinzette ausriss? Damit konnte er besser umgehen, als Täter zu sein.
    Er wollte ausspucken, doch nicht auf sein Kopfkissen. Murrend tapste er ins Bad und sammelte Speichel zusammen, was nur schwer ging, da er fast breiig war. Als er schließlich einen Batzen ins Waschbecken tropfen ließ, war dieser blutig.
    Er starrte in den Spiegel und riss den Mund auf. Erst konnte er nichts Ungewöhnliches erkennen, doch dann sah er Blut unterhalb des linken oberen Eckzahns, das langsam mehr wurde.
    Zahnfleischbluten, nichts weiter, völlig normal, das hatte er manchmal.
    Müde schüttelte er den Kopf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Dann starrte er sich wieder an. Die Augenringe waren deutlich ausgeprägt, da musste er nachher wohl eher mit Charme als mit Aussehen punkten.
    Nachdem Alex gestern um Mitternacht einen kurzen Zigarettenspaziergang gemacht und dabei festgestellt hatte, dass er auch in dieser Nacht besser im Dunkeln sehen konnte als all die Jahre zuvor, hatte er Stunden damit verbracht, nach Krankheiten zu googeln, die mit verbesserter Sehkraft einhergingen. Ohne viel Erfolg. In erster Linie hatte er natürlich nach Geschlechtskrankheiten gesucht, nach HIV, Tripper und was ihm sonst noch einfiel.
    Wo und wie hätte er sich in letzter Zeit sonst etwas einfangen können? Klar, auf öffentlichen Toiletten ging das immer, aber das schlug einem ja meist eher auf den Magen oder die Blase. Meist.
    Immer wieder wanderten seine Gedanken zu Danielle. Mit wie vielen war sie vor ihm im Bett gewesen? Bei ihrem Aussehen hätte sie leicht jeden Abend einen anderen haben können, ach was, drei, vier, so viele sie wollte. Nicht alle diese Männer konnten gesund gewesen sein.
    Ich bevorzuge die Abwechslung, hatte sie geschrieben.
    Sein Kopf fühlte sich heiß an, wie bei beginnendem Fieber. Schlapp war er aber nicht, höchstens ein wenig zittrig. Das würde sich nach dem ersten Kaffee geben, hoffte er.
    Es war kurz nach zwei, er hatte also fast acht Stunden Schlaf gehabt; dennoch fühlte er sich wie gerädert.
    Warum plagten ihn gerade jetzt so absurde Träume? Der Gedanke, Lisa den Hals aufzureißen, schreckte ihn auch heute, er hatte nichts Erregendes.
    Hatte er so viel Angst davor, doch die Kontrolle zu verlieren, wenn er sie sah?
    Dabei freute er sich auf das Treffen. Wenn er an sie dachte, dann mit einem albern glücklichen Lächeln und zärtlich, oder zumindest mit normalem Verlangen. Wie offen man normal in diesem Zusammenhang auch definieren mochte, Halsaufreißen und Blut saufen gehörten definitiv nicht dazu. Er warf die Kaffeemaschine an und ließ den Blick über die Fotos der Schrankwand schweifen. Dabei dachte er ernsthaft darüber nach, wo Platz für ein Bild von Lisa wäre. Natürlich war es Unsinn, sich das schon vor dem ersten Kuss zu überlegen, aber er spürte dieses verliebte Kribbeln im Bauch, wenn er an sie dachte, er erinnerte sich, wie sie ihn angesehen hatte, wie sie in der U-Bahn über die abwesende Romantik gelacht und seine Hand gehalten hatte.
    »Eine Jurastudentin.« Er schnaubte verächtlich, konnte aber nicht aufhören zu lächeln. Koma hatte Recht, er hatte Glück mit Frauen. Erst die Nacht mit Danielle, und jetzt Lisa.
    Als er an Danielle dachte, bekam er einen Steifen. Wo sie wohl die Nacht verbracht hatte? Er hätte gern gewusst, wo sie wohnte.
    Beiläufig kratzte er an seiner Narbe, ein Brocken trockener Schorf fiel zu Boden und legte einen kleinen Flecken frischer rosa Haut neben dem vernarbtem Gewebe frei. Auch wenn er sich am Unterarm kratzte, hatte er das Gefühl, es jucke ihm zwischen den Beinen. Nach dem Frühstück würde er zum Arzt gehen, ein Blutbild machen lassen, Aids-Test und eben alles, zu was ihm der Arzt riet. Nur zur Sicherheit, denn eigentlich glaubte er ja nicht, dass er sich etwas eingefangen hatte.
    Zuvor würde er noch schnell sein Radiofeature fertigstellen, einen ganzen Tag vor der Deadline, das war doch auch mal was. So sehr er Poe und ein paar seiner sogenannten Erben schätzte, er wollte es einfach vom Schreibtisch haben, ihm gingen andere

Weitere Kostenlose Bücher