Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Titel: Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Gruberová , Helmut Zeller
Vom Netzwerk:
den Schornsteinen schossen. Auf dem ganzen Gelände roch es nach verbranntem Fleisch.
    Eva ist wie betäubt von dem durchdringenden Geschrei. SS-Männer treiben an der Rampe Frauen und Männer an, sich zu Fünfergruppen in zwei getrennten Reihen aufzustellen. Eva und Géza bleibt gerade noch Zeit für eine Umarmung. «Halte durch, wir werden wieder zusammenkommen», ruft Géza ihr zu. Sie nimmt seine Worte als ein Versprechen. Dann verschwindet seine Gestalt in der Dunkelheit. Voller Panik greift Eva nach der Hand ihrer Schwester. Nicht, dass sie auch noch sie verliert. Begleitet vom Gebell der Hunde, den Angstschreien weinender Kinder und dem Gebrüll der SS-Männer, setzt sich die lange Kolonne der Frauen und Kinder in Bewegung. Schritt für Schritt schiebt sich die Masse nach vorne. Plötzlich ragt vor Eva ein Mann in grauer Uniform auf. «Wie alt bist du? Gesund?» Ihr Mund ist ausgetrocknet, sie bringt kein Wort heraus und nickt nur. Mit einer Handbewegung schickt er Eva und Ida zu einer anderen Menschenschlange, die rechts von ihm wartet. Gézas Mutter muss in die andere Richtung gehen. Dort stehen die Alten, Mütter mit Kleinkindern und Säuglingen und Menschen mit Krücken. Was bedeutet das alles? Eine junge Frau aus Šamorín, die auch in Evas Transport war, spricht einen Uniformierten an der Rampe an. Warum darf ihre Mutter nicht bei ihr und ihrer Schwester bleiben, wo sie doch noch recht jung sei und keine kleinen Kinder bei sich habe, fragt sie in bestem Hochdeutsch. Der SS-Mann ist zu überrascht, als dass er gleich zuschlagen könnte. Stattdessen antwortet er ihr in fast väterlichem Ton: «Sei ruhig, deine Mutter wirst du heute Abend wiedersehen.» 60 Jahre später, bei einer jüdischen Gedenkfeier in Dunajská Streda, erzählt Margit Lustig – so hieß die junge Frau – das Ende dieser Geschichte Eva und anderen Überlebenden aus ihrem Transport. «Ich bedankte mich höflich. Als ich am Abend die Blockälteste nach meiner Mutter fragte, zeigte sie mir die Rauchwolke, die aus den Schornsteinen eines niedrigen Gebäudes aufstieg, und sagte: Dort kannst du sie sehen.»
    Miriam ist schon im Lager. Der Zug, in dem sie war, traf in Auschwitz-Birkenau einen Tag vor Evas Transport aus Dunajská Streda ein. Nach den Erlebnissen bei ihrer Ankunft steht Miriam noch unter Schock. «In die Waggons kletterten Männer in gestreiften Jacken und Hosen. Sie hatten verzerrte Gesichter und schrien, während sie uns hinaustrieben, ständig auf uns ein: Gebt eure Kinder ihren Omas! Gebt sie euren Müttern, gebt sie weg!» Miriam versteht gar nichts. Warum sollten Mütter ihre Kinder weggeben? Ihre Schwägerin Marica legt schnell ihren sechsmonatigen Säugling in die Arme ihrer Mutter und übergibt ihr auch ihre zweijährige Tochter. Im gleichen Moment verschwinden sie schon in der Masse von Menschen, die vorwärts getrieben wird. Was Miriam und Marica nicht wissen können und erst später erfahren: Die Häftlinge an der Rampe wussten, dass ein kleines Kind für seine Mutter den sicheren Tod bedeutete, und wollten auf diese Weise wenigstens das Leben der Frauen retten. Erschüttert von der plötzlichen Trennung, tröstet sich Miriams Schwägerin mit dem Gedanken, dass ihre Kinder bei der Großmutter sind und wohl an einen besseren Ort kommen. Rechts-links, rechts-links, zeigt die Hand des Mannes in der SS-Uniform, der in Sekunden über Leben und Tod entscheidet. Die Kolonne derjenigen, die, ohne es zu ahnen, gerade den Aufschub ihrer geplanten Vernichtung erfuhren, bewegt sich weiter. Die SS-Männer treiben Miriam und die anderen Frauen in ein Gebäude hinein. «Los, ausziehen, schnell!», schreit eine dicke Frau in Häftlingskleidung. Was, ausziehen, vor den SS-Männern, die offenbar gar nicht vorhaben, wegzugehen? Ungläubig und voller Scham schauen sich die Frauen an. Miriam wartet, ob eine ihre Kleider ablegt. Ein junges Mädchen geht zu einem der SS-Männer. Miriam kann nicht hören, was sie ihm sagt, sie sieht nur, wie er seinen Stock in beide Hände nimmt und das Mädchen auf den Kopf schlägt. Die Frauen fangen zu kreischen an, schnell ziehen sich alle aus. Weiter! Weiter! Miriams schöne lange Haare, auf die sie immer so stolz war, liegen jetzt auf einem dunklen Haufen. Auch die Körperbehaarung wird abrasiert. Nebenan wächst ein Berg aus blonden und roten Haaren. Deutsche Gründlichkeit. Alles geht rasend schnell, die Frauen haben keine Zeit, über die gerade erlebte Demütigung nachzudenken. «Die SS-Männer

Weitere Kostenlose Bücher