Geboren in Atlantis
Stellen, an die Sie sich wenden können. Einen anderen Rat weiß ich auch nicht.«
Sie gab Laute von sich, die zwischen Lachen und Weinen lagen. »Was meinen Sie, wie oft ich das versucht habe. Aber wissen Sie auch, wie ich da behandelt worden bin? Wie der letzte Mist. Die waren so etwas von blasiert, außerdem kann ich nicht lesen und schreiben.«
»Vielleicht sollten Sie da anfangen. Sie sind jung, Gladys. Irgendwie werden Sie die Kurve schon schaffen.«
Sie hob die Schultern. »Weiß nicht.«
Plötzlich meldete sich Lynn. »Da, da!« Sie wies zum Fenster. »Da ist gerade einer vorbeigeflogen. Habe ich genau gesehen, Mister. Das stimmt, ehrlich.«
Suko lief hin. Er glaubte nicht, dass die Kleine gelogen hatte. Beim Öffnen des Fensters ging er sehr vorsichtig zu Werke. Als Lynn auf ihn zulief, schickte er sie wieder zurück.
Unter dem Fenster lag, das sah er erst jetzt, ein schmaler Balkon mit einem ebenso schmalen Gitter. Er war leer, für Suko eine gute Startrampe, sollte es hart auf hart kommen.
Von der Gestalt entdeckte er nichts mehr. Die Düsternis innerhalb des Hofes hatte sie verschluckt.
Er zerrte das klemmende Fenster auf und hielt sein Gesicht in die kalte Luft. Von draußen drangen keine Geräusche an seine Ohren. Suko schaute bis vor die gegenüberliegende Hauswand, wo jetzt hinter einigen Fensterrechtecken Licht brannte.
Menschen zeigten sich nicht. Es kam ihm vor, als hätte jeder Bewohner die Gestalt gesehen, hielt sich aber nun zurück, um nur nichts falsch zu machen.
Etwa zehn Sekunden vergingen. Suko durchsuchte den Hof, wo mehr Schatten vorhanden war als Licht.
Er sah die dunklen Inseln, forschte nach Bewegungen, ohne jedoch etwas erkennen zu können. Es blieb still…
Er drehte sich um. Lynn stand vor dem Bett, ihre Mutter hockte noch auf der Matratze. »Hast du dich auch nicht getäuscht, Lynn?«
»Nein, nein, den habe ich gesehen. Der war wie ein Schatten, und er hing an einem Seil oder so.«
»Tatsächlich?«
»Ja, Mister.«
»Sag mal…« Suko sprach nicht mehr weiter, denn Lynn versteifte. Damit wusste der Inspektor, dass sich hinter ihm etwas verändert hatte. Blitzschnell warf er sich zur Seite und gleichzeitig herum. Mit den Füßen voran flog ein Mensch in den Raum. Er hielt sich mit beiden Händen an einem Kabel fest. Zwischen seinen Zähnen steckte ein Messer, auf dem Kopf trug er eine Strickmütze. Da er die Beine gespreizt hatte, erwischte er Suko noch an der Schulter und schleuderte ihn zurück, als er hochkommen wollte.
Suko ging ihn an.
Als der Kerl das Kabel losließ, erwischte ihn der trockene Schlag des Inspektors. Der Mann flog zurück, fing sich aber, öffnete den Mund. Das Messer fiel heraus und genau in die auffangbereite Rechte. Suko trat schneller zu.
Auf dem Brustkasten explodierte der Tritt. Er hob den Messerhelden fast aus den Schuhen. Der Kerl kippte wieder zurück. In einem halben Salto durchstieß er das offene Fenster, landete auf dem Balkon, wo die Brüstung so wenig Halt gab, dass sie sich durch das aufprallende Gewicht nach außen bog.
Der Mann fiel.
Suko sah, als er nachfassen und den Mann retten wollte, für einen Moment seine hochkant stehenden Schuhe, dann hörte er schon den trockenen Aufschlag unten. Ohne Kabel war er verloren. Der Inspektor sprang auf den Balkon. Er kam kaum dazu, einen Blick in die Tiefe zu werfen, denn über sich hörte er einen dünnen Pfiff, drehte sich zur Seite, schaute hoch und sah etwas niederfallen. Eine Kugel mit vier Haken. Sie erwischte Suko an der Kleidung, riss in Höhe der Schulter einen Schlitz, dann griff er sofort zu, bekam die blanke Kette zwischen die Finger und zerrte daran. Der Schrei hallte über den Hof. Eine Sekunde später kippte der Körper an ihm vorbei, schlug gegen ein Balkongitter unter ihm und hatte Glück, dass er auf dem Vorsprung landete und nicht im Hof. Etwas pendelte an Sukos Augen vorbei. Sofort fasste er zu und hatte eines der Kabel zwischen die Hände bekommen. Was die anderen konnten, würde auch er schaffen.
Suko zog sich hoch, hörte über sich, wahrscheinlich vom Dach her, ein rollendes Geräusch, stemmte sich ab und schwang sich auf den nächst höheren Balkon zu, den er auch erreichte, wobei er sich mit den Füßen auf dem Handlauf abstützte.
Es war nicht mehr weit bis zum Dachrand. Suko bog den Rücken durch und sprang hoch.
Unter ihm knirschte es, aber er bekam die Dachrinne zu fassen, deren Metall hart in seine Handflächen schnitt, ohne ihm Wunden zuzufügen.
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