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Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Watzlawick Paul
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der ungeheure Fortschritt der Elektronik neue Kommunikationsmittel geschaffen hat, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen wären. Für den Amerikareisenden sind natürlich Kommunikationssysteme wie e- Mail und Internet von geringerer Bedeutung, da er keinen (öffentlichen) Zugang zu ihnen haben dürfte – wohl aber z. B. die Nachrichtenübermittlung per Fax (Facsimile), sofern der Empfänger eine eigene Fax- Nummer hat. Leider gibt es für das Finden dieser Nummern noch keine Äquivalente der Telefonbücher. Weiß man aber die Nummer, so kann man in zahlreichen Fotokopierläden, Papierhandlungen, Reisebüros usw. in Sekundenschnelle eine Nachricht in jede Weltgegend und Zeitzone übermitteln. Die Kosten belaufen sich meist auf ungefähr vier Dollar pro Seite. Praktisch alle Hotels haben ihre eigene Fax-Nummer, und man kann daher über diese Nummer schon in wenigen Minuten eine Antwort im Hotelzimmer erhalten und möglicherweise dem Hotel dafür bezahlen, obwohl sonst Fax-Antworten – wie der Erhalt von Telefonanrufen – meist kostenlos sind.
    Wenn, wie gesagt, das amerikanische Telefon superlativ gut ist, so läßt sich die Post nur als weniger superlativ bezeichnen. Es hat den Anschein, daß sie seit ihrem Bestehen, sicherlich aber in den letzten dreißig Jahren, ununterbrochen am Rande des Zusammenbruchs balanciert und nur mit massiven Infusionen von Steuergeldern und dauernden Gebührenerhöhungen jeweils auf weitere ein bis zwei Jahre am Leben erhalten wird. Meine an den Pathologien großer Systeme interessierten Leser wird es kaum überraschen, daß die Leistungen der amerikanischen Post um so schlechter werden, je mehr zu ihrer Sanierung und Modernisierung getan wird. Wenn es auch in Europa vielleicht nicht mehr zutrifft, daß ein in London am Nachmittag aufgegebener Brief am nächsten Tag um 8 Uhr früh in Zürich ausgetragen wird, so werden Sie doch in den USA Ihre blauen Wunder erleben können. Den Amerikaner aber überrascht es nicht mehr, wenn die Zustellung eines Briefs auf drei Kilometer Entfernung zwei Tage in Anspruch nimmt, falls Sender und Empfänger in zwei verschiedenen, aber eng aneinandergrenzenden Ortschaften wohnen. Dank der zwecks Rationalisierung eingeführten gebietsweisen Zentralisierung reist dieser Brief heute nämlich 50 oder 100 Kilometer weit zum zuständigen Sortieramt und darauf praktisch denselben Weg wieder zurück; vorausgesetzt natürlich, daß er nicht zuerst irrtümlich an ein 2000 Kilometer weiter entferntes Postamt geht. Noch miserabler ist die Luftpost von und nach Übersee; da sind Briefe meist zehn, manchmal sogar 14 Tage unterwegs. – Zur Bewältigung der Paketpost gibt es 21 über das ganze Land verteilte, riesige halbautomatische Sortierstellen, Bulk Mail Centers genannt, die eine Milliarde Dollar kosteten und von denen behauptet wird, daß sie 30% der Pakete bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln. Im Bulk Mail Center von Largo bei Washington soll laut Feststellung des Journalisten Jack Anderson hinsichtlich der Behandlung der Pakete der witzige Spruch umgehen: »You mail’em, we maul’em« (frei übersetzt etwa: »Sie verschicken’s, wir verschlucken’s«). Durch Schaden wird man bekanntlich klug, und – ebenfalls laut Anderson – soll der Paketverkehr bereits ein Jahr nach Inbetriebnahme dieser Sortierämter um 15,5% zurückgegangen sein.
    Die amerikanische Post gibt sich nur mit Briefen, Drucksachen, Paketen und dergleichen sowie mit einer Art Barscheck, money order genannt, ab. Telefon und Telegraf fallen nicht in ihre Kompetenz, und das Bezahlen von Rechnungen mittels Zahlkarten oder Geldüberweisungen auf dem Postwege und ähnliche Dienstleistungen europäischer Postämter sind unbekannt. Dafür erhalten Sie auf der Post – falls Sie Wert darauf legen sollten – die Antragsformulare für die Aufnahme in den Staatsdienst (civil service) und die gebräuchlichsten der unzähligen Vordrucke der Steuerbehörde. Schließlich können Sie sich auf den Postämtern die Zeit auch mit dem Studium der Steckbriefe vertreiben.
    Die in den Staaten gebräuchliche Form der Anschrift hat als erste Zeile natürlich den Namen des Betreffenden, darunter Hausnummer und Straße (zum Beispiel: 1238 Broadway) und schließlich die Stadt, gefolgt von der derzeit noch fünfstelligen Postleitzahl (zip code genannt). Unweigerlich, aber unnötigerweise schiebt der Amerikaner trotz der den Zielort einwandfrei definierenden Postleitzahl zwischen Stadt und zip code noch die

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