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Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Watzlawick Paul
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hapern.

Restaurants
    Dem markigen Motto der Post gar nicht unähnlich sind die Speisekarten vieler Restaurants. Getreu dem werbetechnischen Grundsatz, ein drittklassiges Produkt mit erstklassiger Semantik zu verbrämen, werden Ihnen auf dem menu (ménnjuh ausgesprochen – was nicht primär die europäische Bedeutung von Speisenfolge hat, sondern Speisekarte bedeutet) solch schwer übersetzbare Köstlichkeiten wie »mouth watering, tender morsch of veal from milkfed calves« , »delicious garden grown peas« und »our very special, home made cheese cake« auffallen, und Sie werden wissen, daß Sie wieder einmal im Bereich des Scheins statt des Seins sind (und daß wieder einmal mehrere Bindestriche fehlen). Denn besonders im Hinblick auf das Essen ist für den Amerikaner das Aussehen wichtiger als das Schmecken, was – wiederum laut bösen Zungen – darauf zurückzuführen sein soll, daß es bei ihm nie zur Ausbildung des Geschmackssinnes kommt. Die knallgrünen Erbsen schmecken wie Löschpapier, die Schlagsahne wie Rasiercreme, aber alles sieht wirklich aus, und darauf kommt es an. Erfreulich ist dagegen die häufig zu findende salad bar , ein reichbeschicktes Salatbüffet, an dem man sich nach Art eines Smörgasbords den Salat selbst wählen und zubereiten kann. Außerdem gibt es verschiedenste Saucen in Flaschen, vor allem catsup , die ach so beliebte Tomatenbrühe. Zahnstocher sind dagegen am Tisch unerhältlich, und Talkumpulver in seiner Verwendung als erste Hilfe bei Fettflecken auf Kleidern ist unbekannt. Zahnstocher gibt es nur an der Kasse.
    Einem weitverbreiteten Mythus zufolge müssen gute, elegante Restaurants dunkel sein, und sie sind oft so dunkel, wie italienische Restaurants grell erleuchtet sind. Der Oberkellner, der sich eines gepflegten ausländischen Akzents befleißigt, lächelt aber bestenfalls gequält, wenn Sie ihn zwecks Lesens der Speisekarte oder Identifizierung der Speisen launig um eine Taschenlampe oder um Zündhölzer bitten. Lokale dieser Art zeichnen sich auch dadurch aus, daß man Ihnen zum Salat eisgekühlte Gabeln serviert, der Salat selbst aber mit der gleichen rosa Sauce übergossen ist, die Sie flaschenweise im Supermarkt kaufen können.
    Steuern Sie beim Eintreten ins Lokal nicht wie gewohnt auf den freien Tisch Ihrer Wahl zu. In Amerika bleibt man beim Eingang stehen und wartet auf die hostess , eine meist junge Dame, deren einzige Aufgabe darin besteht, Plätze anzuweisen. Sie erhält kein Trinkgeld, wohl aber stehen dem Kellner bei Bezahlung 12 bis 15% (heutzutage sind es praktisch immer schon 15%) Trinkgeld zu, was im Gesamtbetrag nur in ganz seltenen Fällen inbegriffen und dann als service charge oder ähnliche Bezeichnung aufgeführt ist. Dasselbe gilt auch für die den Restaurants angegliederten Bars, die – nebenbei bemerkt – meist noch finsterer sind.
     

     
    Da in den USA eine für europäische Begriffe ungewöhnlich hohe Zahl von Menschen das Rauchen aufgegeben hat, findet man in den Restaurants der meisten Bundesstaaten gesetzlich vorgeschriebene Nichtraucherzonen. Ihre Platzanweiserin wird Sie sicherlich nach Ihrer Wahl fragen. – Und da wir gerade beim Thema sind: Ab 1990 wurde das bisher nur für zweistündige Flüge geltende Rauchverbot auf sämtliche inneramerikanische Flüge ausgedehnt. Die bisherige Einteilung der Kabinen in Raucher- und Nichtraucherabteile war insofern ohnehin rein symbolisch, als das Belüftungssystem keinen Unterschied im Absaugen und Wiedereinblasen der vorhandenen Luft machte.
    Doch zurück zum Thema: Von einer typischen Küche kann man wohl nur im Süden des Landes sprechen; sonst bekommen Sie in Seattle dasselbe wie in Miami. Das soll freilich nicht heißen, daß man nicht gut, sogar sehr gut essen kann. Besonders in der von Boston bis Washington reichenden Megalopolis der Ostküste gibt es, wie einer meiner Leser sehr zu Recht betont, zahllose kleine, »ethnische« Restaurants, oft Familienbetriebe, in denen italienisch, spanisch, griechisch, arabisch, russisch, jüdisch, armenisch, ungarisch, fernöstlich, brasilianisch usw. »wie daheim« gekocht wird. Oft sind diese Restaurants außerdem noch recht preiswert. Als Touristen bleiben einem diese lukullischen Oasen freilich meist verborgen. Im Gegensatz zu Europa sind übrigens vor allem die chinesischen Restaurants keine teuren Feinschmeckerlokale – man kann dort im Gegenteil sehr preiswert und gut essen, und sowohl die Auswahl als meist auch die Quantität der Gerichte

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