Gebrauchsanweisung für den Gardasee
manch einen deswegen zum leichtsinnigen Gasgeben verleitenden) Serpentinenstraße. Dann tauchen die ersten Häuser von Pieve über und neben uns auf, und eine Minute später, gleich nach der Ortseinfahrt, auch schon die Straßenkreuzung, an der eine wichtige Entscheidung fällig ist: Soll man sich nach rechts wenden, um den allesamt sehenswerten Tremosine-Bergdörfern (frazioni werden sie hier genannt) Priezzo, Voiandes, Vesio und Voltino einen Besuch abzustatten und anschließend über die zweite (von uns bisher verschwiegene) Verbindungsstraße zwischen der Hochebene und dem See nach Limone hinunterzufahren? Oder fährt man besser geradeaus, wo erst die Schauderterrasse lockt und dann die Route über Pregasio und Cadignano nach Sermerio und dem Pra Grasso, der »fetten Wiese«, die noch einmal eine Etage höher liegt als das Hochplateau?
So oder so: Am besten sucht man zuerst einmal einen Parkplatz – und findet ihn, wenn man Richtung Vesio fährt, 100 Meter rechts hinter der Kreuzung. Das lohnt sich erstens, weil man sich sonst um das Vergnügen bringen würde, ein bißchen durch Pieve zu bummeln und den eigenartigen Reiz dieses Ortes auf sich wirken zu lassen. Und es lohnt sich zweitens, weil es im bereits erwähnten Fremdenverkehrsbüro von Pieve – es befindet sich unmittelbar neben der Straßenkreuzung – den ganz vorzüglichen, von Don Gabriele Scalmana verfaßten »Kleinen Führer« durch Tremosine zu kaufen gibt. Den werden Sie brauchen, gleich auf welchem Weg Sie Tremosine kennenlernen wollen. Unsere Gebrauchsanweisung aber hat ihre Schuldigkeit, indem sie Sie hierherauf gelotst hat, schon getan. Don Gabriele, übernehmen Sie!
11. Geschmacksfragen
oder Warte, bis es dunkel wird
Bei aller Lust, die ausgetretenen Pfade des Massentourismus zu verlassen: Sobald die Rede auf den Gardasee kommt, fallen den meisten Deutschen nach wie vor die Namen prominenter Uferorte ein. Malcesine, Bardolino, Peschiera, Sirmione, Salò, Gargnano, Limone oder Riva – sie alle, oder doch ein paar von ihnen, will man wenigstens gesehen haben, wenn man schon einmal in der Nähe ist. Und erwartet deshalb von einer Gebrauchsanweisung mehr, als daß sie sich – so wie wir das nun zehn Kapitel lang getan haben – nur immer warnend dazwischenwirft, sobald man sich einem dieser Besuchermagnete auch nur gedanklich annähert. Irgendwann hat schließlich selbst der entdeckungslustigste Individualreisende genug entdeckt, irgendwann will auch er sich vor gedeckte Tische setzen, in gemachte Betten legen, seine Beine von sich strecken und – Klischee hin, Klischee her – einfach nur faul genießen, was ihm hier angeboten wird.
Nur leider (aber das ist garantiert der letzte Einwand, den wir erheben werden) läßt sich so ein Genießerprogramm am Gardasee nicht ganz so einfach realisieren, wie es sich anhört. Auch was das Essen und Trinken betrifft, lauern hier nicht wenige Touristenfallen. Wobei, und damit kommen wir zügig zum Positiven, die teuflischste Touristenfalle ihren Sinn verliert, wenn die Touristen ausbleiben. Die Fremdenverkehrsämter rings um den See mögen den Trend mit gemischten Gefühlen betrachten, doch unsereiner nimmt ihn mit Wohlgefallen zur Kenntnis: Seit einiger Zeit geht die Anzahl der Gardaseebesucher Jahr für Jahr um ein paar tausend oder sogar zehntausend zurück. Ihre anfänglichen Versuche, die Massen mit Dumpingpreisangeboten zurückzulocken, hat die einheimische Tourismusindustrie ziemlich schnell aufgegeben, da sie nichts fruchteten. Statt dessen setzt sich immer mehr das Bestreben durch, aus der Not eine Tugend zu machen und sich an den von uns beschriebenen Zeiten der Vergangenheit zu orientieren, in denen der See weniger von Pauschaltouristen als von stillen Genießern und anderen Einzelreisenden aufgesucht wurde.
Gewiß steht diese Entwicklung erst an ihrem Anfang; sonst müßten wir nicht so viel List und Spürsinn darauf verwenden, den allzu breitgetretenen Routen am Seeufer zu entkommen. Doch andererseits kann sich dieser Anfang durchaus sehen lassen. Das gilt fürs Beherbergungswesen; immer mehr kleine wie größere Hotels werden umgebaut, bei ihrer Renovierung ist nicht mehr so sehr die Zahl der Räume als vielmehr deren sorgsam-individuelle Ausstattung entscheidend. Es gilt aber mittlerweile – und das trifft sich für unsere Genießervorsätze nun doch sehr günstig – auch für die Gastronomie am Gardasee.
Um diesen Befund nachzuprüfen, starten wir zu einer kleinen
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