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Gebrauchsanweisung für den Gardasee

Gebrauchsanweisung für den Gardasee

Titel: Gebrauchsanweisung für den Gardasee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Stephan
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Aufmerksamkeit vor allem den frisch gefangenen Seefischen, die entweder stückweise oder – in diesem Fall kein Allerweltsgericht! – als fritto misto serviert werden.
    Mit etwas Glück findet man im Alla Fassa auch den König der Gardaseefische auf der Tageskarte, den carpione. Auf deutsch heißt carpione Karpfen, weswegen nicht nur deutsche Gäste, auch manche italienischen Wirte (und sogar Reisehandbücher) den Gardasee- carpione als »Karpfen« ausgeben. Spätestens wenn der Fisch auf dem Teller daherkommt, erweist sich das jedoch als Irrtum. Weniger mißverständlich ist die andere Bezeichnung salma carpio; denn strenggenommen ist der carpione nur eine Lachsforelle, freilich eine von ziemlich ausgefallener Art: Daß der Fisch sich von auf dem Seegrund liegenden Gold ernähre, ist eine schöne alte Legende; wissenschaftlich erwiesen ist jedoch eine biologische Einzigartigkeit: Der Gardasee- carpione ist der einzige Fisch, der sich zweimal jährlich – zwischen Juli und August wie zur Jahreswende fortpflanzt. Und das wiederum erweitert die Schonzeiten und sorgt dafür, daß diese Delikatesse selten bleibt.
    So oder so: Wer je vom zarten weißen Fleisch des carpione gekostet hat, will von einer anderen der mehr als 80 Lachsforellensorten nichts mehr wissen, nicht einmal von der auch im Gardasee – und zwar ziemlich häufig – vorkommenden gewöhnlichen Lachsforelle, der trota salmonata. Am besten kommt das Aroma das carpione zur Geltung, wenn man ihn ganz einfach dünstet. Neben dieser Zubereitungsart (sotto) praktiziert Brighenti auch die spektakulärere Variante des carpione alle brace, bei der der sich langsam am Spieß drehende Fisch immer wieder mit einem in Olivenöl getauchten Rosmarinzweig bestrichen wird. Das fördert die Krustenbildung und verhindert das Austrocknen.
    Man sieht: Leicht ist es nicht, sich durch das Fischgewimmel des Gardasee hindurchzufinden. Sich da vorher zu informieren und im Zweifelsfall hartnäckig in den Lokalen nachzufragen, lohnt sich auf alle Fälle, zumal wenn es um andere Seespezialitäten geht wie den kräftigen Hecht (luccio), dessen Filets vor allem als Vorspeise geschätzt werden, oder die Schleie, die vor allem am westlichen Seeufer und dann besonders gern im Ofen gebacken und mit feinen Kräutern gefüllt als tinca ripiena serviert wird. Ein besonders feiner Fisch ist der Flußbarsch, der persico – nicht nur, wenn die Köche ihn in köstlichen risotti verarbeiten.
    Den obligatorischen Abendspaziergang vor oder nach dem Essen kann man natürlich entlang der Uferpromenaden von Brenzone oder Castelletto absolvieren. Dann allerdings hätte man die schönste Sehenswürdigkeit glatt versäumt: den alten, inmitten steil aufsteigender Olivengärten gelegenen Ortsteil von Castelletto: verwinkelte, oft überbaute Gassen und Gäßchen, uralte Steinhäuser – und weit und breit kein Souvenir- oder Wassersportladen, keine Boutique, keine Eisdiele. Man glaubt es kaum, und man hält unwillkürlich den Atem an: Hier oben, gerade mal 50 bis 100 Meter über dem betriebsamen Badeort und der lärmenden Durchgangsstraße, scheint die Zeit vor hundert Jahren stehengeblieben zu sein. Noch einen Schritt zurück, fast bis ins Mittelalter, führt einen der kurze Weg hinaus in die alten, bis heute bewirtschafteten Olivenhaine und ins verlassene Minidorf Biazza.
    Am besten erreicht man diese unbeschreiblich friedliche Idylle von Castelletto aus über eine zu Beginn sehr steile Treppe, die bei der Klosterkirche am nördlichen Ortseingang (also praktisch gegenüber vom Ristorante La Fassa) ihren Anfang nimmt. Und man muß das Essen, das man sich beim Aufstieg redlich verdient, ja nicht unbedingt, oder nicht jedesmal, im unteren Ortsteil zu sich nehmen. Droben nämlich trifft man nach einigem Umhersteigen früher oder später auf die piazza dell’ Olivio, den alten Dorfplatz, an dem sich gleich zwei Trattorien angesiedelt haben. Uns hat es die auf der Südseite des Platzes liegende La Primeria del Sarsisa mit ihrem schönen Innenhof besonders angetan. Versteht sich, daß in dieser Umgebung recht rustikal gekocht wird. Herzhafte Pastagerichte, eingelegte Gemüse und überbordende Speck-, Wurst- und Käseplatten bestimmen das Angebot, das nicht wenige Einheimische und mittlerweile auch immer mehr Touristen zu schätzen wissen.
    Von unserer nächsten kulinarischen Adresse, dem Hotel Gardesana in Torri del Benaco, war schon im neunten Kapitel die Rede. Nachzutragen bleibt hier, daß man in dessen

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