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Gebrauchsanweisung fuer Indien

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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rollen (vier) oder fliegen (sechs) bringen mehr ein. Nach fünfzig Overs (je sechs Würfe) muß die bislang werfende Mannschaft versuchen, mehr Runs zu erzielen als der Gegner.
    Das skurrilste Detail im Kricket heißt ›lbw‹ (›leg before wicket‹). Der mit breiten Schienbeinschonern ausgestattete Batsman könnte stets seine Beine vor das schmale Wicket stellen und somit verhindern, daß der Bowler jemals die Hölzer trifft. Um das zu verhindern, darf die werfende Mannschaft ein ›lbw‹ reklamieren, wann immer der Ball die Schoner getroffen hat und angesichts seiner Flugkurve voraussichtlich auch die Hölzer berührt hätte. Gemäß der Tradition sollte die Reklamation durch ein zurückhaltend vorgetragenes »How was that?« beim Umpire (Schiedsrichter) eingereicht werden. Doch statt dessen – oh, welch Verrohung der Sitten! – hüpfen Werfer und Mitspieler wie von Wespen gestochen hoch, reißen die Arme in die Höhe und die Augen weit auf und beschwören den Umpire, den gegnerischen Batsman auszuschließen. Hebt der Schiedsrichter seinen rechten Arm, muß der Batsman das Feld verlassen. Nicht ohne zuvor mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck und einem beharrlichen Kopfschütteln für jeden sichtbar verkündet zu haben, daß er der Entscheidung des Umpires durch und durch mißtraut. Hebt dieser allerdings nicht seinen Arm, schaut der Bowler so verblüfft und verletzt drein, als wäre sein Heiratsantrag abgelehnt worden.
    Wie Baseball ist Kricket ein Spiel für Statistiker. Die seriösen Mitglieder dieser Zunft sind in der ›Association of Cricket Statisticians and Scorers of India‹ organisiert. Der Spielverlauf wird stets anhand eines ausgeklügelten Zahlenwerks wiedergegeben und jede Leistung nach ihrer historischen Einzigartigkeit untersucht. So findet sich fast immer ein statistisches Lorbeerblatt, mit dem selbst das schwächste Spiel gekrönt werden kann: »Dies war die beste Partnerschaft zwischen einem Brahmanen aus dem Süden und einem Pathanen aus dem Norden für das vierte Wicket am dritten Tag eines Testmatches gegen Australien in Indien.«

    Während die indische Mannschaft in dem entscheidenden WM-Spiel immer stärker aufspielt und die nervösen pakistanischen Batsmen zunehmend dominiert, frage ich die euphorischen Herren an der Bar im CCI, dem legendären ›Cricket Club of India‹, die mich zum Glücksbringer ernannt haben und mir pro ausscheidendem Pakistaner ein Bier spendieren, wieso Kricket gerade in Indien so beliebt sei? Fehlende Athletik, bemerkt ein schmerbäuchiger Glatzkopf. Kricket sei neben Volleyball der einzige Mannschaftssport, bei dem es zu fast keinem körperlichen Kontakt kommt. So hätten auch schwächere Menschen eine Chance. Ein weißhaariger Brillenträger weist hingegen darauf hin, daß Kricket keinen Rivalen in der Publikumsgunst habe, da Indien in keiner anderen Sportart Weltklasse aufzuweisen hat. Ein Bengale mit fahrigen Gesten spekuliert über die Geduld, die dieses Spiel fordere und die im indischen Alltag reichlich geübt werden könne.
    Das Spiel endet mit einem grandiosen Sieg Indiens. Die Zuschauer im Stadion überfluten den Platz – die Spieler müssen vor soviel Zuneigung ihre Beine unter die Arme nehmen. So schnell, wie sie in die Kabinen eilen, sind sie das ganze Spiel über nicht gerannt.

    Auf einmal waren Schlangenbeschwörer wieder gefragt. Nach Jahren der Mißachtung, in denen ihnen radikale Tierschützer wie die einstige Umweltministerin Maneka Gandhi das Leben schwergemacht hatten, standen sie von einem Tag auf den anderen im Mittelpunkt der nationalen Aufmerksamkeit. Jeder halbwegs fähige Schlangenmann aus der Umgebung Delhis wurde ins Kricketstadion gekarrt. Denn die Shiv Sena, unter den nationalistischen Hinduparteien die wahnsinnigste, hatte eine schreckliche Drohung ausgesprochen: Sie würde beim Spiel Indien gegen Pakistan giftige Schlangen im Stadion aussetzen, um dagegen zu protestieren, daß der Erzfeind ins Land geladen worden war. Es war keine leere Drohung. Berichte aus den Provinzen Rajasthan und Uttar Pradesh bestätigten, daß eine Reihe von Saperas – so lautet die korrekte Berufsbezeichnung der Schlangenbeschwörer – von der Shiv Sena in verschwörerischer Absicht angesprochen worden seien.
    Durga Nath, Mitglied der neuen Schlangenpolizei, stand an einem der Eingänge und prüfte jeden Zuschauer, der hereindrängte, mit scharfem Blick auf seine Eignung zum Schlangenschmuggler.
    »Schlangen reinbringen, das kann nicht

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