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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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fünf Reihen (ich bezweifle, daß viele Menschen ohne viel Nachdenken wissen, wie viele Stücke sich in einer Packung befinden – man nimmt immer nur den Block wahr; wahrscheinlich wird eher ein Dutzend oder acht geschätzt statt der tatsächlichen zehn). Mit einer Packung Mannerschnitten in der Hand läßt sich hervorragend Spazierengehen. Die Packung ist nicht schwer, sieht gut aus, bedeutet einen Proviant, läßt sich natürlich auch bestens in einer Sakkotasche, einer Handtasche oder einem Kostüm unterbringen, sollte aber lieber offen getragen werden. Niemand wird Ihnen den Vorwurf machen, ein Klischee zu bedienen, wenn Sie mit Mannerschnitten unterwegs sind, im Gegensatz zu Mozartkugeln (die zwischenzeitlich zur gleichen Aktiengesellschaft gehören, was schon zeigt, wie traurig unsere Zeit geworden ist).
    Man sollte also eine ganze Weile mit einer solchen Packung Mannerschnitten unterwegs sein, um den richtigen Moment zur Öffnung abzuwarten. Einen Moment der Ruhe, vielleicht sogar inmitten von Hektik. Wichtig ist nur, daß man selbst ruhig wird, wenn man die weichselrote Lasche anhebt und mit einem gleichmäßigen Zug die Folie von rechts nach links aufreißt, sodaß die erste Zweierreihe wie bei einer Zigarettenpackung nach hinten kippt. Was dann beginnt, ist immer eine Bröselei. Die Schnitten lassen sich nicht trennen, ohne daß ein »Staub« von Waffelfragmenten in die Luft aufsteigt. Auch entströmt sofort der Geruch von Haselnüssen, welcher — das ist keine Einbildung – in kurzen Intervallen erfolgt, so, als würde eben auch dieses Aroma das Kompositionsprinzip der Mannerschnitte wiedergeben: vier Lagen dünner Streichmasse zwischen fünf Lagen noch dünnerer Waffelschicht.
    So kompakt dieses Schnittenstück in der Hand liegt, so fragil fühlt es sich im Mund an, wo die Schichten quasi ineinanderbrechen und ein Geschmack entsteht, der an das Vermischen von Spielkarten erinnert, wenn eine in die andere geschoben wird. Aber man kann natürlich auch, wie vor allem Kinder es gerne tun, die Schnitten an den Seitenflächen halten und sodann mit den Zähnen vorsichtig die oberste Waffeldecke herunterbrechen, diese mit viel Speichel im Mund verzehren, um in der Folge die Haselnußcreme abzulecken und damit eine neue Waffelschicht freizulegen, welche man wiederum . . . und so weiter. Auf diese Weise gelingt es, sich ungemein lange mit einer einzigen Schnitte zu beschäftigen. Und daß dies eine der besten Arten darstellt, Selbsthypnose zu betreiben, versteht sich. Es ist jedenfalls weit angenehmer und wirksamer, sich nach und nach der untersten Waffel zu nähern, als sich etwa mit der Vorstellung abzumühen, wie man eine dumme Stufe mit dem Rücken voran abwärtssteigt.
    Auch im Falle der Mannerschnitte glaube ich sagen zu können, daß niemand, der Ihnen dabei zusieht, wie Sie den süßen Kubus quasi filetieren (angesichts des Waffelmusters müßte man eigentlich von entgräten sprechen), Sie dafür belächeln wird. Man wird davon ausgehen, daß Sie bloß einem Ritual Ihrer Kindheit folgen. Und wer wollte eine derartige Reminiszenz schlechtheißen?
    Und wer wollte etwas gegen die Bilder sagen, die in unseren Köpfen feststecken und welche nicht selten Bilder von Bildern sind? — Das Logo der Mannerschnitte ist der Wiener Stephansdom. Ein Dom, den viele Menschen auch in natura zu Gesicht bekommen haben. Dennoch liegt es auf der Hand, daß unser Bild von dieser Kirche in erster Linie von Abbildungen geprägt wird. Und in erster Linie von jener Abbildung, die wir von der Mannerschnitte her kennen. Wir sehen die Kirche oder denken an die Kirche und haben sofort den vertrauten Geschmack im Mund. Dazu kommt, daß der Dom in unseren Gedanken stets in Rosa erscheint. Und in einer Perspektive, welche historisch ist. Es stimmt nämlich, wenn der Architekt Hans Hollein auf Angriffe, sein dem Dom gegenüberliegendes, recht üppig in den Raum stoßendes Haas-Haus verstelle den Blick auf den Stephansplatz, mit dem Argument kontert, der angeblich verlorengegangene Blick, von dem die Leute reden, würde sich allein auf die Abbildung auf der Mannerschnittenpackung beziehen. Man kann sagen: Der Dom auf der Mannerschnitte ist die Kathedrale in unseren Herzen. Und es soll ja sogar Vorkommen, daß Österreicher (oder Österreichanhänger) eine Packung Mannerschnitten in der Brusttasche über ihrem Herzen tragen. Daß deshalb auch schon mal eine verirrte Pistolenkugel lebensrettend abgebremst oder abgelenkt wurde, kann ich zwar

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