Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
und mit Butter übergossenen Germknödel. Diese Knödelkörper hatten etwas von lebenden Wesen, die sich ein klein wenig aufzublähen und wieder einzuschrumpfen schienen wie bei einer stark verzögerten Atmung. Ein Eindruck, der die Lust am Verzehr keineswegs behinderte, weil man sich natürlich nur Germknödel vorstellen mag, die sich darauf freuen, verspeist zu werden. (Ich meine nicht, daß diese Knödel sprechen konnten, wie ab und zu Kaffee- und Teekannen dazu imstande sind, aber dennoch möchte ich sagen, es waren intelligente Knödel, in der Art und Weise, wie wir das manchmal bei Maschinen vermuten.)
Es ist übrigens keineswegs so, daß ich meine Großmutter geliebt habe. Ich mochte vieles nicht an ihr, am wenigsten ihre typisch österreichische Verdrängungskunst, doch ihre leidenschaftliche Art zu kochen hat mich stets begeistert. Ihre Präsenz in der Küche, die spürbare Autorität einer versierten Alchemistin, die ziemlich gut weiß, wie man Gold herstellt. Zu diesem Gold gehörte vor allem ihr Mohr im Hemd, diese aus dem Wasserbad gehobene, schokoladige, mit geriebenen Mandeln und Semmelbröseln versetzte Masse, von der ein einzelnes Stück auf der Gabel ausgesprochen schwer wirkt, im Mund aber ganz leicht. Korrekt definiert handelt es sich um einen echten Pudding, ich möchte aber lieber von einer Umdichtung und Verdichtung des Guglhupfs sprechen. Und wenn man weiß, daß »Guglhupf« ebenso für »Irrenhaus« steht – nämlich auf Grund der Ähnlichkeit zwischen der Kuchenform und einem von Joseph II. in Auftrag gegebenen Narrenturm –, dann könnte man vielleicht den Mohr im Hemd als komprimierte Narretei begreifen.
So, wie ich behaupte, der Germknödel atmet, würde ich meinen, der Mohr im Hemd lacht, und zwar ein tiefes, schweres Lachen. Er lacht uns aus. Aber auch er will selbstverständlich gegessen werden. — Bei alldem darf nicht vergessen werden: Guglhupf und Mohr im Hemd haben ein leeres Zentrum. Das macht aus ihnen zwangsläufig philosophische Süßspeisen.
So kompliziert ein echter Mohr im Hemd, so einfach die Palatschinken. Könnte man sagen, denn im Grunde handelt es sich um einen dünnen Pfannkuchen. Aber im Einfachen steckt der Wurm wie auch die Chance. Es ist wie mit Gedichten und Aquarellmalerei. Jeder wagt sich heran: Ein paar Worte, irgendwie verknotet, schon haben wir ein Poem; ein paar Pigmente, die sich im Wasser auflösen, schon glänzt feucht ein Aquarell. Aber nichts ist so schwer wie das perfekte Gedicht und das perfekte Aquarell – und die perfekte Palatschinke. Im Grund soll sie dünn, aber nicht zu dünn sein, sie soll hell, aber nicht blaß sein, ihre Teigform rund, aber nicht so rund, daß man meint, sie sei ausgestochen oder mit dem Zirkel hergestellt worden, denn auch für Palatschinken gilt, jedes Stück möge seine eigene Form besitzen. Wobei natürlich ein Unterschied besteht zwischen absichtsvoller Individualität und einem Zerlaufen des Teigs im Stile der gerade angesprochenen laienhaften Aquarellmalerei.
So wie man in einer Gaststätte oder einem Restaurant zunächst einmal den Hauswein ordern sollte, sollte man beim ersten Besuch die angebotenen Palatschinken bestellen. Vergleichbar der Vorgangsweise, sich bei einem Mann oder bei einer Frau, für die man sich interessiert, zuerst einmal nach dem Namen zu erkundigen. Und nicht nach dem Bankkonto, oder? Werden Sie jedoch skeptisch beäugt, von dem Mann, der Frau, deren Namen Sie wissen wollen, beziehungsweise von dem Kellner oder der Kellnerin, bei denen Sie Hauswein und Palatschinke zu ordern versuchen, dann seien Sie auf der Hut.
Den Möglichkeiten, eine einzelne Palatschinke zu füllen (serviert werden sie eigentlich nur im Plural), sind natürlich kaum Grenzen gesetzt. Ich finde allerdings die salzigen Varianten — diverse Schwammerln, Spinat, Schinken, Tofu — etwas unpassend. Pilze gehören ohnedies niemals in »versteckter« Form serviert, ihre potentielle Giftigkeit gebietet den freien Blick. Aus Prinzip. Nein, ich würde nur drei Füllungen empfehlen: die mit Marmelade, die mit Topfen (plus Rosinen) oder jene besonders kalorienreiche (nahrhafte) sogenannte Großmutterpalatschinke, die über eine Nußcremefüllung verfügt und sodann mit flüssiger Schokolade und Schlagobers dekoriert wird. Von Vanilleeisfüllung hingegen rate ich gerne ab. Man meint, man beiße auf etwas Kaltgewordenes, das ursprünglich warm war.
Wenn von Palatschinken die Rede ist, muß natürlich auch deren Verwandlung in
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