Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
oft gestellt: Was passiert, wenn ich versuche, dieses Gemälde abzuhängen? Wenn ein Deutscher zu nahe an ein Gemälde gerät und dadurch einen Alarm auslöst, dann, weil er vorhatte, den Duktus des Malers zu studieren. Der Österreicher aber, der ebenfalls einen Alarm auslöst, ist vor allem an der Alarmanlage interessiert. Denn die Alarmanlage ist es, welche die Bedeutung dieses Bildes im Raum veranschaulicht. Die Alarmanlage verkörpert die Aura.
Darum ist es allein als ein Ausdruck meines guten Benehmens zu verstehen, wenn ich den Begriff »Klappe« nicht unerklärt lasse, obwohl der Klang eines Begriffs wichtiger ist als seine Herkunft. Klappe bezieht sich zumindest beim Telefonieren nicht darauf, jemanden sein Maul zu verbieten, sondern verweist auf eine historische Fernsprecheinrichtung mit Handvermittlung, bei der ein Klappenmechanismus zur Anwendung kam. – Wie schnöde mutet dieser etymologische Hintergrund an im Vergleich zum Wort selbst, seinem groben Glanz und den vielen interessanten Mißverständnissen, die es hervorzurufen versteht.
Doch zurück zur Schwedenbombe, die bereits dank der Verpackung – einem durchsichtigen, schatullenartigen Kunststoffbehälter — sich so wohltuend von den schreienden Kartons unterscheidet, in denen die viel zu süßen und viel zu dicken Dickmanns im Stile eines diabetogenen Hinterhaltes verborgen sind. Schwedenbomben aber zeigen sich dem willigen Käufer in galanter Offenheit. Wenn man will, kann man sagen, sie symbolisieren Österreich: nicht größer als nötig. Ein einziger Biß macht den Unterschied klar. Kein schwerer Schaum, sondern eine leichte Creme. Keine zuckrige Gewalt, sondern eine milde Süße wie ein warmer Wind. Geschlagenes Eiklar und fetthaltiger Kakao im stabilen Miteinander, erneut das Prinzip des Walzers und Landlers anwendend, bei dem die Tänzer immer die richtige Distanz wahren, das Miteinander nicht übertreiben. Und das Schöne daran ist sicher, daß es sich um keine hochgestochene Konditoreiarbeit handelt, sondern um ein Fabrikprodukt, jedermann zugänglich und preislich moderat. Die Schwedenbombe ist sozial, aber nicht banal, hier wird das Exklusive zum Massenprodukt.
Bleibt nur das bereits angesprochene Problem der Eßfolge. Selbst wenn man alleine ist und die mit einer Schokoladehülle überzogenen drei Bombenstücke genauso schätzt wie die zusätzlich mit Kokosraspeln bestreuten anderen drei, stellt sich die Frage der Reihenfolge. Zuerst schwarz oder zuerst weiß? Schwarz und weiß abwechselnd oder strikt getrennt? Und richtig schwierig wird es, wenn zwei Leute sich eine Sechserpackung teilen und beide etwa die weißen vor den schwarzen bevorzugen. Die relativ geringe (aber vernünftige) Anzahl von nur sechs Stück und das Faktum des so überaus feinen Geschmacks machen den »Kampf« zu einer strategischen Angelegenheit, weniger zu einem raschen In-sich-Hineinstopfen. Man muß abwägen zwischen dem Genuß und der Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten. Aber für Schwedenbomben gilt in erster Linie das Prinzip von der Entdeckung der Langsamkeit sowie in Erinnerung an einen Filmtitel: Wie ich die Bombe lieben lernte. Besser eine davon genießen als zwei verschlingen. — Sie werden sagen: Man kann sich doch mehrere Packungen kaufen. Richtig! Komisch nur, daß man das nicht tut. Es gehört sich einfach nicht. Es paßt nicht zur Noblesse dieser »kalorienarmen« Süßspeise, sich gleich mit zwei Packungen einzudecken. So wie man sich mit zwei Kästen Bier eindeckt oder mit zwei Packungen Kartoffelchips. Wenn Sie es doch tun, wundern Sie sich nicht, daß man Sie an der Kassa schief anschaut und als den Ausländer erkennt, der Sie sind. (Sollte ich mich täuschen, dann haben sich die Zeiten geändert, und das wäre äußerst bedauernswert. Und es wäre dann praktisch Ihre Aufgabe, die alte Tradition neu aufzunehmen. Die alte Würde, die mit dieser Bombe einhergeht, zu leben.)
Geschmacklich nicht ganz so überirdisch, aber als Massenprodukt ebenfalls herausragend, ist die Mannerschnitte. Wobei die eigentliche Bedeutung die des Objekts ist. Eine Packung Mannerschnitten reißt man nicht gleich auf, wie man vielleicht eine Tüte Gummibärchen, ja sogar eine Gebirgskette Toblerone aufreißt. Die Packung widersetzt sich dank optischer Präsenz einer sofortigen Konsumation. Im Grunde handelt es sich um ein kleines Kunstwerk in größter Auflage, eine reclamheftartig in der Hand liegende, in altrosa Alufolie gefügte serielle Anordnung aus zwei mal
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