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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Koch, aber ich befürchte, daß Männer, die kochen, immer Scharlatane sind – man kann das gut im Fernsehen beobachten), und lassen Sie sich den Parasol in feiner Panier herausbacken. Seien Sie mit diesem einen Genuß zufrieden, und fangen Sie nicht etwa an, ein verrückter Pilzesammler zu werden. Obsessives Pilzesammeln ist so schlimm wie Sportfischen. Würdelos. Nein, seien Sie ein Buschmann oder Pygmäe. Gehen Sie respektvoll mit den Geschenken der Natur um. Pilze braucht man weder zu jagen noch auszurotten.
    Neben einem Parasol hin und wieder sollte man auch Zusehen, einigen Eierschwammerln, anderswo Pfifferlinge genannt, über den Weg zu laufen. »Frisch aus dem Wald« ist etwas ganz anderes als »Frisch vom Markt«. Bis ein Eierschwammerl einen Markt erreicht, ist es nämlich keines mehr. Es hat sich verwandelt. Ganz in der Art von Prinzen, die Frösche werden — und die sich ja bloß im Märchen in Prinzen zurückverwandeln lassen (schauen Sie sich einmal das Leben an den Teichen an: viele Frösche, aber kein einziger Prinz).
    So ist das leider meistens. Wer jedoch die Norm des Unzurückverwandelbaren ab und zu durchbrechen möchte, der sollte in die Steiermark fahren, tief in den Wald Vordringen, ein paar Eierschwammerln in seinen Korb tun, selbige zur nächsten freien Küche befördern und sich sodann eine höchstpersönliche Portion servieren lassen. Und wenn er keinen Schwammerln begegnet oder nur den falschen, die sich mit leuchtendvioletten Hüten oder Weiß auf Rot dem Wanderer rotzfrech entgegenstellen, so kann man wenigstens sagen, im Wald gewesen zu sein, dem sicherlich österreichischsten aller Orte, so wichtig Felder und Dörfer und Städte für den Wohlstand und die Kultur auch sein mögen. Aber im Wald existiert eine Art Urösterreich, ein von Geistern und Zwergen und Trollen und Feen und Elfen, von symbiotischen Wesen (halb Dämon, halb Pflanze) bewohnte Welt, die sehr viel älter ist als die uns vertraute.
    Der österreichische Wald ist in weit stärkerem Maße von solchen Erscheinungen bevölkert als andere Gegenden. Der Boden ist gut für Geister, diese gewisse Unübersichtlichkeit des Geländes, das jedoch frei ist von der Verworrenheit eines Dschungels. Auch Waldgeister lieben eine gewisse Ordnung, eine freundliche Disziplinierung der Natur. Allerdings sind sie sehr viel desinteressierter am Menschen, als etwa die urbanen Luftgeister, welche — wie in Wim Wenders Himmel über Berlin, dessen grandioses Drehbuch Peter Handke verfaßte — an den Ohren der Lebenden hängen, an deren gedanklichen Ausstrahlungen. Luftgeister sind geprägt von Mitleid oder Zynismus, die österreichischen Waldgeister aber wollen bloß ihren Frieden. Sie haben nichts gegen Wanderer, solange sich diese anständig verhalten. Wer sich aber danebenbenimmt und in der Art eines Hooligans in die Natur einbricht, sollte sich nicht wundern, wenn sich merkwürdige Dinge ereignen, Dinge, die dann als Zufälle oder Tücke des Objekts abgetan werden, nichtsdestoweniger aber einen Schrecken verursachen.
    Wer jedoch mit Ruhe und Rücksicht den Wald begeht (und, von wenigen Pilzen und Beeren abgesehen, nichts wegnimmt und nichts hinzufügt, wie Kindergartenkinder das schon lernen), dem ist es gegeben, ein Rauschen und Murmeln, ein Kichern und Pfeifen, ein geistvolles Sprechen wahrzunehmen, eine Geräuschkulisse, die man als die Hintergrundstrahlung Österreichs bezeichnen kann.
    Zurück aus dem Wald, wird man allerdings erneut Hunger haben und sich jenen Ausblick verschaffen, den eine Speisekarte bietet. Wobei Speisekarten nicht selten mehr verschleiern, als sie kundtun. Sie verpflichten uns zu einer Entscheidung, die ohne Ängste und Bedenken zu treffen wir selten in der Lage sind. Wieviel besser wäre es oft, würde auch in Restaurants die alte Anordnung gelten: »Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt.«
    Begeben wir uns wieder zur Suppe und zur Alchemie.
    Bezüglich der berühmten Gulaschsuppe soll nur eines gesagt sein, daß es nämlich von den Ungarn heißt, sie seien Meister der Schwarzen Magie.
    Zu den weniger gebräuchlichen Suppeneinlagen gehört der Strudel. Und damit wären wir bei jener Mehlspeise angelangt, die zwar nicht die außerösterreichische Strahlkraft einer Sachertorte besitzt, aber dank ihrer Machart perfekt für ein österreichisches Phänomen steht, eben für das des Strudels, im Sinne einer wirbelnden Drehung. Ich halte es für bezeichnend, daß es zwei österreichische Physiker waren, Lense und

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