Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
nur in St. Pölten.«
Hauer, ein Verehrer der Dichtung Hölderlins, ließ sich vom zwölfteiligen Farbkreis des Malers Johannes Itten zu einem zwölfteiligen Klangfarbenkreis inspirieren. Er entwickelte nach und nach ein gleichzeitig pragmatisches wie esoterisches System, das ihn zur Entdeckung der Tropen führte, wobei diese Tropen zwölftönige Wendungsgruppen darstellen. Man kann auch sagen, er entdeckte Inseln im Weltraum. Zumindest erscheint seine Musik ausgesprochen kosmisch und sphärisch — und sollte es am Ende des Universums Musik geben, dann klingt sie sicher sehr viel mehr nach Hauer denn nach Schönberg.
Bei Hauer wird sinnigerweise nicht von Zwölftontechnik, sondern Zwölftonspiel gesprochen. Es handelt sich um eine ungemein leichte, fließende und schwebende Musik, eine Musik aus vielen Partikeln, die sich freundlich umgarnen, eine Einheit bilden, ohne darum gedrängt oder gar beengt zu wirken. Wenn im Falle moderner E-Musik gerne vom Klangteppich gesprochen wird, dann haben wir es bei den Hauerschen Kompositionen mit einem fliegenden Teppich zu tun. Auf dem es sich ganz hervorragend sitzen läßt. Diese Musik trägt jeden, der sich tragen lassen möchte. Sie ist frei von einer intellektuellen Schwere, zumindest für den unbedarften Zuhörer, den die Theorie kaltläßt. Das zeigt sich auch darin, daß Hauers spätere Notenbilder ohne die üblichen Regieanweisungen auskommen, ohne die Angabe von Tempo und Lautstärke sowie Ausdruckbezeichnungen. Es scheint, als würden sich die Partituren auf sich selbst verlassen, auf eine innere Notwendigkeit, die sich mehr ergibt, als daß man sie definieren könnte. Wie Wetter, das geschieht, und zwar als natürliche Folge.
Im Grunde müßte Hauer gleichberechtigt neben Schönberg und den Seinen stehen. Wobei sein Werk unabhängiger ist, weniger aus einer musikhistorischen Entwicklung geboren als aus einem individuellen Entdeckungs- und Erkenntnistrieb. Nicht zuletzt haben wir freilich auch hier diesen gewissen österreichischen »Größenwahn«, aber wunderbar kompromißlos. Aus dieser Kompromißlosigkeit ergibt sich dann das Bild des Narren, und genau als ein solcher wurde Hauer von den meisten seiner Zeitgenossen gesehen. Vor allem wohl auch, um ihn in der Auseinandersetzung um die Frage, wer der Begründer der Zwölftonmusik sei, klein- und blödzureden. Schönberg, bekanntermaßen kein Gralshüter der Bescheidenheit, dürfte hier einige Hebel in Bewegung gesetzt haben. So hat sich auch Herr »Superelitär« Theodor W. Adorno an der Herabsetzung und Dilettantisierung Hauers beteiligt. Welcher zwar ebenfalls seine Anhänger hatte, doch verfügten selbige über weit weniger an Bedeutung und Macht.
Schlußendlich ereilte Hauer das Schicksal eines nieentdeckten Vergessenen, der sich mit den üblichen offiziellen Auszeichnungen begnügen mußte, die das Nachkriegsösterreich bis heute in großem Ausmaß mehr verschenkt als verteilt, Ehrenzeichen und Titel, die den Charakter von Trostpreisen haben und des öfteren an Leute vergeben werden, die sich für nichts zu schade sind und zu sein brauchen. Hauer aber wußte um die eigentliche Bedeutung seiner vollkommen originären Schöpfungen, die mit irgendeinem lächerlichen kleinen Preis zu bedenken ihn wohl mehr gekränkt als geehrt haben muß. So setzte er seit 1937 unter all seine Briefe einen Stempel folgenden Inhalts neben seinen Namen: Der geistige Urheber und (trotz vielen Nachahmern!) immer noch der einzige Kenner und Könner der Zwölftonmusik.
Ja, es gab eine Zeit, in der die »Beleidigten« sich noch würdevoll zur Wehr setzten. So hat etwa Heimito von Doderer eine Karte drucken lassen, auf welcher er sich freundlich erlaubte, darauf hinzuweisen, »daß er Zuschriften nicht beachtet, welche seinen Namen verstümmeln oder willkürlich verändern: weil solches den bescheidensten Forderungen der Höflichkeit widerspricht.«
Mein Gott, jeder von uns würde sich so eine Karte wünschen. Und es fragt sich, warum man nicht wenigstens eine Standard-E-Mail mit selbigem Text entwirft. Allerdings besteht die Gefahr, daß die meisten Adressaten »Forderungen der Höflichkeit« für den Namen einer Tai-Chi-Übung oder den Titel eines betulichen Gedichtezyklus halten würden.
Jedenfalls ist es bedauerlich, wie wenig Hauers trotzige Selbstbehauptung genutzt hat, eine angemessene Position in der Musikgeschichte einzunehmen. So bleibt er ein Sonderfall und Sonderling, von dessen Werken – die Rudolf Wondraschek das
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