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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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»Lächeln Gottes« nannte — nur wenige Einspielungen existieren. Und es bleiben ein viel zu lauter Platz im achten Bezirk (ein Zusammenstoß von Straßen), ein paar Erinnerungen, eine ehrende Skulptur, ein bissel Forschung. Vor allem aber Staub, der sich auf die Musik legt. Doch Staub gehört dazu. Und dort, wo er ständig entfernt wird, führt man einen Kampf, der nicht wirklich zu gewinnen ist. Der Staub sitzt am längeren Hebel. Die ewige Putzfrau ist eine Illusion.
    Nicht zu gewinnen war auch der Kampf, den in den siebziger Jahren jene jungen Menschen führten, die aus mehr als tausend guten Gründen gegen ihre Väter und Mütter und eine frei von anatomischen Regeln operierende Staatsmacht aufbegehrten, und sei’s nur, um das alte Spiel der Generationen aufrechtzuerhalten. Daß sich daraus eine völlig humorlose, krankhaft pathosbeladene und alsbald höchst privatistisch um die eigene Not kreisende Gruppierung wie die RAF ergab, ist traurig, aber wohl ebenfalls Teil des Spiels. Ein Spiel, in dem sich immer nur »Eliten« gegenüberstehen, deren elementarstes Prinzip die Übertreibung ist. Übertreibung in der Wirtschaft, Übertreibung in der Politik, in der Kunst, in der Opposition, maßloses Begehren, gehobene Zeigefinger und zu allem Überfluß die eigene Haus- und Hofmoral als kategorischer Imperativ.
    Daß in Deutschland derartige Elitenkriege mit großer Vehemenz geführt werden, hängt wohl damit zusammen, daß auch die Familienkriege von einem protestantischen Eifer gespeist werden, und sei die Familie noch so katholisch oder konfessionslos. Der Eifer hat sich durchgesetzt, so wie sich in Österreich der Streit durchgesetzt hat. Der Streit ist laut. Statt Vehemenz besteht Inbrunst. Statt Konsequenz Ermüdung. Denn so laut der Streit auch geführt wird, verklingt er wieder. Oder mündet in ein laues Geplänkel oder gar in Akte der Verbrüderung. Das ist unsympathisch und sympathisch zugleich.
    Ich möchte hier – selbst auf die Gefahr hin, das Persönliche mit dem Allgemeinen zu verwechseln – davon berichten, wie ich in den Achtzigern an den damals recht heftig geführten Demonstrationen gegen den Wiener Opernball teilgenommen habe, der damals noch ein Schaulaufen der Mächtigen war, die den Habitus von Feldmarschällen und Feldmarschallsgattinnen besaßen. (Später kam dann der Baumeister Richard Lugner und vollzog eine grandiose Vulgarisierung dieser Veranstaltung. Solcherart demaskierte er den bisherigen Glanz, denn der Glanz muß ja bezahlt werden; und Lugners Vergehen schien und scheint darin zu bestehen, ihn aus der eigenen Tasche zu bezahlen. Davon abgesehen, muß man sich jedoch die Frage stellen, worin eigentlich der Unterschied zwischen den Altreichen und den Neureichen besteht? Na, keinesfalls in den geschmackvollen Roben ersterer.)
    Ich hielt mich bei diesen Demonstrationen stets weiter hinten auf, fern der Gefahr, einen Schlagstock auf den Kopf zu bekommen oder gar festgenommen zu werden. Meine Rechtfertigung dafür war die, daß ich als Alleinstehender zwei Hauskatzen zu versorgen habe, welche es nicht gewohnt seien, eine Nacht lang alleine zu bleiben beziehungsweise auf die regelmäßige Fütterung zu verzichten. Das war keine Ausrede gewesen, sondern vollkommen ernst gemeint. Und es hat mir auch von niemandem den Vorwurf eingetragen, Angst zu haben und mich herausreden zu wollen. Die radikale Liebe zum Haustier ist eins dieser Phänomene, in denen sich alle Teile der Gesellschaft wiederfinden. Ich war also der Typ, der eine Revolution versäumen würde, weil er sich in erster Linie seinen Haustieren verpflichtet fühlt. Wenn der Österreicher einen Eifer praktiziert, bezieht sich selbiger auf etwas Intimes, nach außen hin genügt der oberflächliche Streit.
    So ist es also nicht verwunderlich, daß in den siebziger Jahren zwar ebenso leidenschaftlich wie in Deutschland diskutiert wurde, in welcher Weise die Gesellschaft zu verändern sei, die Aufnahme militärischer Aktionen jedoch für die meisten ein reines Gedankenspiel darstellte. Die Weltverbesserung verblieb sehr oft auf dem Niveau einer Seance. Beziehungsweise hätte man aus dieser Angelegenheit ein DKT-Spiel (DKT (= Das kaufmännische Talent) heißt die österreichische Version von Monopoly) konstruieren können. Doch es kam zu einer Ausnahme.
    Im November 1977 wurde Walter Michael Palmers, der Seniorchef des gleichnamigen Textilunternehmens entfuhrt und nach vier Tagen für ein Lösegeld von 30,5 Millionen Schilling wieder

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