Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Leider fehlt genau dieser Ton der Bildung und des gesteigerten Sprachbewußtseins völlig in der österreichischen Politik, gleich ob links oder rechts. Das ist erstaunlich und traurig und läßt viele Fragen offen: Glauben österreichische Politiker besser anzukommen, wenn sie ohne Klang, ohne Musik sprechen und sich absichtsvoll ungebildet geben? Meiden sie die Tradition des professoralen Tons, weil sie befürchten, man könnte ihnen diesen Ton als »jüdisch« oder »verjudet« auslegen?
    Rolf Schwendter hingegen kann sich eine solche Sprachgehobenheit natürlich erlauben. Er redet ganz wunderbar. Jede Silbe ein Gedicht. Er trägt die Worte, die er spricht. Er ist ihr Diener. Und er ist der Meister der Subkultur wie der Devianz, der Erforschung abweichenden Verhaltens. Was für einige Spötter mit Osterreichforschung gleichzusetzen ist. Und von anderen wiederum als sozialromantisch abgetan wird, von Leuten, die nicht wahrhaben wollen, daß nichts so romantisch ist wie die Wissenschaft. Wissenschaft ist der Traum von einer erkennbaren und durchschaubaren Welt.
    Daneben hat Schwendter das Erste Wiener Lesetheater mitbegründet, welches zwischenzeitlich auch zweites Stegreiftheater heißt, eine Einrichtung von Menschen, die die natürliche Gabe der Rezitation in einem größeren Kreis und vor Publikum ausleben, ohne deshalb eine Karriere als Burgschauspieler anzustreben. Und welche ein wichtiges österreichisches Talent ausleben: das des perfekten Dilettantismus. Die Kunst, etwas zu tun, anstatt es nur vorzugeben, wie man dies von den Profis kennt, den Brandauerianern, Leuten, die in sich selbst, in der eigenen Pose versinken. Die sich nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen, sondern sich am eigenen Schopf in diesen Sumpf hineindrücken. Was nicht minder eine übernatürliche Leistung ist, aber eine bedauernswerte.
    Anders Rolf Schwendter, dieses biedermeierliche Bollwerk des Guten in einer konsumistischen Vorhölle. So ist er etwa -und ich hoffe sehr, ich schreibe jetzt nichts, was sich überholt hat — ein Telefonverächter. Nicht umsonst heißt einer seiner Essays Über die Unmöglichkeit zu telefonieren, in welchem er die Geiselhaft thematisiert, in die das Telefon, dieser Zwangsapparat, den Menschen nimmt. Und keine Frage, er hat recht. Das Telefonieren ist eine schlimme Unart und ein noch schlimmerer Zeitfresser. Das wenige Positive, das dabei herauskommt, wird von dem vielen Schlechten und Unnötigen zunichte gemacht. Das Telefon hat mehr Schaden angerichtet, als je ein Computerspiel dazu imstande sein wird. Man müßte sich nur selbst einmal zuhören, wenn man in diese Hörer und Handys hineinredet, als würde man mit einem Bleistiftspitzer kommunizieren. Das Telefonieren zerfrißt unsere Sprache. Es hat uns verändert und wird unsere Kinder verändern. Das hat nichts mit Technikfeindlichkeit zu tun. Im Gegenteil. Man sollte verstärkt die moderne Technik einsetzen, um das Telefonieren zu verbannen. Denn darauf kommt es an, auf die Befreiung Österreichs vom Telefon und diesem ganzen Wahnsinn des totalen Telefonierens.
    Ich würde also vorschlagen, daß, wenn man schon auf die Idee kommt, in den Bahnen und anderswo das Rauchen zu untersagen, so bitte, bitte doch auch endlich das Telefonieren zu verbieten und den Menschen wieder die Möglichkeit zu geben, nicht nur Wörter auszuatmen, sondern auch Luft einzuatmen, auf daß erneut ein Gleichgewicht entsteht zwischen dem Gesagten und dem Gedachten und zwischen Mensch und Maschine. Ist das denn so schwer? Nein, ich glaube nicht. Also, mutige Österreicher, seid der Welt ein Vorbild. Und wenn wir schon dabei sind, könnte man natürlich auch die deutschen Touristen einmal bitten, ihren Teil zur Telefonbefreiung ihrer Lieblingsnachbarn beizutragen, also etwa den Urlaub in Österreich dazu zu benutzen, so weit als nur irgend möglich auf die Telefoniererei zu verzichten. Das hat keine moralischen oder gesundheitlichen Gründe, sondern ästhetische und damit auch ethische. Schwendter spricht vom Paradox des Telefonierens: »Um wieder benutzbar zu werden, müßte sein Gebrauch aus der Mode kommen.«
    Davon scheinen wir weit entfernt zu sein. Aber das scheint eben nur, weil wir uns durch den Hauptakt der Handy-Groteske bewegen und unsere Sprachzentren nie geahnte Banalitäten umkreisen. Tatsächlich aber handelt es sich um die letzten Züge einer Verfallsgesellschaft der Kommunikationsverstrickung. Wobei ich zugeben muß, daß »letzte Züge« sich leider ganz

Weitere Kostenlose Bücher