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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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entlang, sie ist flankiert von flachnasigen Figuren mit Grünspan, denen halbe Arme, die Beine oder der Kopf fehlen, und sie nimmt kein Ende. Ich stecke in einem Tunnel aus Grün, keine Rettung, keine Abwechslung links oder rechts. Vom östlichen Eingang des Parks scheint das andere Ende Lichtjahre entfernt; so weit wie das Leben der Erwachsenen.
    Es war ein Sommersonntag meiner Kindheit, und dieses endlose Laufen nannte sich Spaziergang im Park Sanssouci. Wir spazierten vom Obelisken bis zum Neuen Palais, das sind gute zwei Kilometer. Potsdam war eine Spazierstadt. Eine Sonntagsstadt. Eine Stadt auf Postkarten. Ich fuhr mit meinen Eltern zu Ausflügen dorthin. Es gab eine Softeisbude und Straßenbahnen. Sie kreischten auf rostigen Rädern durch die Straßen. Im Gegensatz zur schnurgeraden Allee waren die Gleise labyrinthisch verschlungen. Sie verbanden den windigen Platz der Nationen (heute Luisenplatz) mit einem Ort, der sich Schlaatz nannte, was mir wie die verzerrte Form eines Koseworts erschien. Mein liebster Schlaatz … – so, stellte ich mir vor, begannen hier die Liebesbriefe.
    Die Softeisbude und die Straßenbahnen gibt es heute, da ich in Potsdam lebe, noch immer. Die Straßenbahnen sind leiser geworden, die Werbung fürs Softeis greller, und ich wohne nicht einmal in der Nähe von Sanssouci. Ich wohne in einem der vielen Viertel und Vororte, die sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer Stadt zusammengefügt haben. Das älteste Viertel ist auch der größte und der abspenstigste Stadtteil von Potsdam. Babelsberg war zu DDR-Zeiten eine Oppositionellenhochburg. In Babelsberg wohnten Künstler und Politrebellen, denen der Grad ihres Protests gegen den herrschenden Sozialismus an der Länge ihrer Bärte abzulesen war. (Bei den Frauen war der Protest ähnlich groß, nur weniger leicht ablesbar.) Babelsberg brachte in die mit ihren vielen Institutionen der sozialistischen Staatsführung ziemlich »rote Stadt« Potsdam ein spielerisch-anarchistisches Element ein. Das Anarchistische ist nach der Wende verschwunden, das Spielerische dagegen hat sich verstärkt.
Potsdamer Spiele
    Das Stadtviertel Babelsberg teilt sich wiederum in zwei Unterstadtviertel. Da ist einmal das Viertel, in dem normale Menschen wohnen. Und dann gibt es die Film- oder auch Medienstadt. Die Medienstadt ist eigentlich keine richtige Stadt, sondern eine auf dem Reißbrett angelegte Siedlung mit einem eigenen Bahnhof. Hier trifft sich die Crème de la Crème der Schauspielkunst seit der Stummfilmzeit. Die Stummfilmstars drehten ursprünglich in Berlin. Aber als die Berliner Vermieter befürchteten, die Filmkünstler könnten mit ihren heiß laufenden Scheinwerfern die Berliner Dachstühle abbrennen, mussten sich die Pioniere des Genres eine neue Heimat suchen. Sie fanden sie in Babelsberg und gründeten das heute älteste Großatelier-Filmstudio der Welt, das sich mit Filmen wie »Metropolis« und »Der blaue Engel« einen Namen machte. Die DEFA drehte hier berühmte Filme wie »Die Geschichte vom kleinen Muck« oder »Solo Sunny«. Und wenn Hollywood nicht aufpasst, läuft dieser Teil von Babelsberg mit seiner Dichte auftretender Stars und Sternchen Beverly Hills bald als Babels Hills den Rang ab. Mittlerweile werden in den hiesigen Studios große Hollywoodproduktionen wie die »Die Bourne Verschwörung«, »Inglourious Basterds« oder »Der Vorleser« gedreht. Wenn die Kulissen auf dem eigenen Studiogelände nicht ausreichen, verlegt man die Dreharbeiten auch gern ins Land hinein, was von Fördermitteln des Landes Brandenburg großzügig unterstützt wird. Die Filmcrew um Kate Winslet beispielsweise war in Ludwigsfelde und Luckau unterwegs. Und Brad Pitt lief für Tarantinos Posse über den Zweiten Weltkrieg durch die Altstadtgassen von Nauen. Im Tolstoi-Film »Ein russischer Sommer« ließ man Brandenburgs nördliche Mischwälder als russischen Wald auftreten, in den sich Helen Mirren unsterblich verliebt haben soll.
    Wie das geht mit der Schauspielerei kann man im Filmpark, einem cinematografischen Lehr- und Vergnügungspark direkt neben den Filmstudios, in echten Kulissen selbst ausprobieren. Und wer sich dabei besonders geschickt anstellt, bewirbt sich am besten gleich bei der Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad Wolf« oder beim Rundfunk Berlin-Brandenburg, die beide ebenfalls auf dem Gelände der Medienstadt ansässig sind. Der rbb wurde von einem Radiomoderator aus Köln übrigens als »entspannteste Rundfunkanstalt

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