Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg
Naturschutz, so viel wie nur noch in Nordrhein-Westfalen. Zu den großflächigsten geschützten Gebieten zählen der Stechlin, die Schorfheide, die Lieberoser Endmoräne, das Havelländische Luch oder der Innere Oberspreewald. Mit dem Unteren Odertal hat Brandenburg sogar einen Nationalpark. Siebenundzwanzig Europäische Vogelschutzgebiete sind hier ausgewiesen, darunter das Luckauer Becken, das Rhin-Havelluch, das Randow-Welse-Bruch oder die Niederlausitzer Heide. So mancher Bauer beschwert sich angesichts der strengen Schutzauflagen, dass ihm durch die Revitalisierung der Moore das Wasser bis zum Hals stünde. So mancher Angler schimpft, dass ihm die vielen Reiher, die sich in den Schilfgürteln angesiedelt haben, seit die Seen nicht mehr unter Detonationen erzittern, die Fische wegfressen.
Das auf den ersten Blick so unscheinbare Land wartet mit großer Exotik auf. Da ist weit und breit keine Küste in Sicht, und trotzdem gibt es auf einmal Salzwasserstellen und Dünen. Mitten im Binnenland tut dieser kärgliche Landstrich so, als liege er am Meer. Das Salzwasser, das ungehindert aus einer zweihundertfünfzig Millionen Jahre alten Zechsteinformation nach oben dringt, lässt Sumpf-Knabenkraut und Strand-Dreizack wachsen. In der scheinbar monokulturellen Ödnis aus Getreidefeld und Kiefernwald öffnen sich Flussarme, Sümpfe und Urwald. Und wenn einem Hobbyfischer auf dem Stechlinsee ein Fisch ins Netz geht, den er nie zuvor gesehen hat, dann ist er nicht betrunken, sondern hat die Fontane-Maräne gefangen, die ausschließlich in diesem berühmtesten See Brandenburgs vorkommt.
Die Reiseunlust, die den Brandenburgern gern nachgesagt wird, liegt also, wie ich vermute, nicht an ihrer angeblich schwerfälligen, unbeweglichen Mentalität. Man weiß einfach, dass sich, bleibt man geduldig zu Hause, verborgene Schönheiten auftun. Je tiefer man ins Landesinnere vordringt, umso erstaunlicher benimmt sich die Natur.
Einsamkeit
Nicht alles Schöne liegt verborgen. Der Stechlin ist unübersehbar. Er ist der Star unter den Brandenburger Seen. Auch wenn er daliegt wie Glas, um seinem Namen gerecht zu werden – abgeleitet vom slawischen »steklo«, was Glas bedeutet – ist er alles andere als unberührt; er wird, sobald das Wetter mitspielt, heftig bebadet. Auch wenn es an Norddeutschlands größtem Klarwassersee nach Holz und Sumpfpflanzen riecht, auch wenn die Buchenwälder ihn dunkel umschließen, lässt sich nicht leugnen, dass der Reiz des Unbekannten hier längst verloren gegangen ist.
Die Straße, die zur ehemaligen Glashüttensiedlung Neuglobsow und weiter ans silberblaue Wasser führt, ist von Andenkenlädchen, kostenpflichtigen Parkplätzen, Imbissbuden und Fischräuchereien gesäumt. Die Fischer kommen mit der Lieferung von Maränen kaum nach. Der See ist so touristisch erschlossen, dass man sich wünscht, der rote Hahn, das Wahrzeichen des Sees, steige aus der Tiefe empor und zeige drohend seine Gestalt, um die Körperdichte am Gestade aufzulockern. Es gibt schließlich unzählige Seen im Ruppiner Land. Der Stechlin ist nur einer von vielen. Und bloß weil Theodor Fontane und Hans Fallada dieser See von allen Seen als der Schönste erschien und er seitdem einen festen Platz in der Literatur hat, ist noch lange nicht gesagt, dass die Badenden seine Ufer von anderen unterscheiden können.
Fontane benannte gleich einen Roman nach ihm, sodass die Touristen außer Räucherfisch auch echte Weltliteratur mit nach Hause nehmen können. Und Fallada, der weiter nördlich in einem Dorf wohnte, das heute schon zu Mecklenburg-Vorpommern gehört, hatte Neuglobsow so beeindruckt, dass er in seinen Kindheitserinnerungen Damals bei uns daheim schrieb: »Es lag ein wenig abseits vom Stechlin; enge, verwachsene Waldwege führten zu ihm hin. Es war das Verlassenste, Einsamste, Schönste, was man sich nur denken konnte.«
Wer heute diese Einsamkeit sucht, hat es schwerer. Das Ruppiner Land war schon zu Fontanes Zeiten eine bei Adligen begehrte Wohnlage. Schlösschen und Klöster nahmen sich an den geschwungenen Ufern dieser sanften Seen besonders schön aus. Und wer sich heute abseits der Bundesstraßen umsieht, wird »eines Tages hier ein Haus haben« wollen. Diese Formulierung liegt hundertprozentig an der Spitze aller Äußerungen zur Schönheit der Landschaft. Vor dem Haus verwunschene Natur, hinter dem Haus ein Schlösschen, ein Gutshaus, ein Pavillon …
An kleineren Seen wie dem Wittwesee, dem Zenssee, auf dem
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