Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg
Managern, von Mitarbeitern des DDR-Devisenbeschaffers Schalck-Golodkowski oder von russischen Oligarchen aufgekauft, dass die Bürgermeister eines Tages nicht mehr zu ihrem ortseigenen See durchkamen. Als sie feststellen, dass das nicht nur blöd fürs eigene Wochenendvergnügen, sondern auch ungünstig für die Entwicklung des Tourismus ist, war es bereits zu spät. Auch die dorfeigenen Herrenhäuser, die wegen ihres Verfalls niemand wollte, standen bald inselgleich und abgeschnitten vom eigenen Grund und Boden da, der ursprünglich bis an den See gereicht hatte. Nun wollte das alte Gemäuer erst recht niemand mehr. In Wandlitz war man über Freiheit und neues Geld so begeistert, dass man sich mit dem Verkauf einzelner Grundstücke gar nicht erst aufhielt. Man verhökerte gleich den ganzen See an einen Unternehmer aus Düsseldorf. Einst war die Gülle der SED-Funktionäre hier eingesickert. Aber das stört den Düsseldorfer nicht. Im motorisierten Schlauchboot befährt er sein Eigentum. Und zwar nicht aus Liebe zur Natur, sondern um den Uferbewohnern eine horrende Pacht für die Stege abzuknöpfen, die auf seinen Besitz hinausragen. Die fangen erst langsam an zu begreifen, dass es tatsächlich Leute gibt, für die Seen nichts weiter sind als flüssiges Geld.
Dabei ist die Frage, wer sich am Wasser erholen darf – nur die Zahlungskräftigen oder alle – eine alte. Zur Zeit Kaiser Wilhelms II. wurden sogenannte »Verunstaltungsgesetze« zum Schutz der Ufer und zur Zugänglichkeit der Seen erlassen. Auch in der Brandenburger Landesverfassung ist die freie Zugänglichkeit von Landschaft und Gewässern verankert. Gebaut werden darf nur dort, wo bereits etwas steht. Dennoch veräußerten Bund und Kommunen ohne Weiteres Grundstücke an Privatleute, um die Steuerkasse zu füllen. Und noch immer toben Streits um öffentliche Wege an Seeufern wie beispielsweise am Griebnitzsee in Potsdam, die von Villenbesitzern gern dichtgemacht würden, damit sie ihren Bauch ganz ungestört in die Sonne recken können, die sie, solange sie über ihrem Eigentum brennt, ebenfalls für privat halten.
So’ne und solche
Man sollte in jedem Fall unterscheiden: Es gibt Seebewohner, die schon seit dreißig Jahren ihren Holzkohlegrill an derselben Stelle aufgebaut haben, weshalb sie sich als absolute Kenner von See und Umgebung fühlen und aus ihrer praktischen Liebe einen Besitzanspruch ableiten, obwohl sie das Grundstück seit Jahren nur pachten. Bei ihnen handelt es sich meistens um Rentner oder Vorruheständler, die gern im Unterhemd ihr Bierchen trinken und dem Nachbarn einen geangelten Fisch gegen selbst gezogene Tomaten über den Zaun reichen. Außerdem gibt es die Zugezogenen. Darunter sind diejenigen, die mit einem Bausparvertrag ihr EFH (kurz für Einfamilienhaus) erworben haben und in einer ersten Amtshandlung einen hohen Palisadenzaun um ihr neues Grundstück ziehen (ohne Seezugang). Sie glauben, das Individuelle gegen eine kollektivistisch gesinnte alte Clique ringsum schützen zu müssen, besonders ihre Kinder, die sich ungestört entfalten sollen. Der Zaun scheint dieses Vorhaben nicht zu behindern. Und es gibt diejenigen, die sich ein saniertes Haus aus den Zwanzigerjahren kaufen (mit Seezugang), auch wegen der Kinder, zu denen es aber nie kommt, weil sie so beschäftigt sind. Wenn nicht gerade ein ortsansässiger Hartz IV- Empfänger den Rasen sprengt, um sich etwas dazuzuverdienen, steht das Haus verwaist. Manchmal gibt es auch zurückkehrende Kinder. In diesem Fall gehörte das Haus vor drei Generationen der Familie, wurde zwischendurch fremdgenutzt und muss jetzt aufwendig instand gesetzt werden. Die Kinder sprechen meistens mit Akzent oder gar kein Deutsch. Sie laufen zunächst ratlos durch die Gegend und wissen nicht, was sie mit der alten Hütte anfangen sollen in einer Welt, die ihre Familie entweder hatte vernichten oder zwangskollektivieren wollen, bis sie feststellen, dass der Seeblick ja ganz schön ist. Viele solcher Kinder kommen auch nicht zurück, weil das Land Brandenburg sie nicht finden kann. Böse Zungen behaupten, das Land hätte nur wenig Interesse daran.
Am Untersee bei Kyritz, einem kleinen Städtchen in der Ostprignitz, finden sich die einen und die anderen in nächster Nachbarschaft. Hier stehen zwei Hotels aus verschiedenen Zeiten und Gesellschaften nebeneinander. Bei dem einem handelt es sich um Schloss Bantikow. Bantikow gehörte zu den besser erhaltenen Landsitzen des Adels, weshalb es zu
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