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Gebrauchsanweisung für Südengland

Gebrauchsanweisung für Südengland

Titel: Gebrauchsanweisung für Südengland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Kößling
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Literatur bedient sich bei der Darstellung der Inselbewohner gerne des Klischees des Individualismus, gewürzt mit einer großzügigen Portion Exzentrik. Da ist zum Beispiel Sir David Lindsay, der verrückte Engländer, der in diversen Karl-May-Romanen auftaucht und sich auch von einer Horde angreifender Komantschen nicht davon abhalten läßt, weiterhin sein Schmetterlingsnetz zu schwingen, wenn ein seltenes Exemplar vor seiner Nase herumflattert. Da Engländer jedoch ebenfalls für ihren Humor und ihre Fähigkeit, sich selbst und das Leben nicht allzu ernst zu nehmen, bekannt sind, tauchen überspitzt gezeichnete Gestalten auch in den Büchern und Filmen auf, die von Engländern selbst verfaßt worden sind. Selbst James Bond, dem ansonsten so weltmännisch-charmanten Geheimagenten im Dienste Ihrer Majestät, haften durchaus Spuren der Exzentrik an. Ob John Cleese in der Rolle des Besitzers des Hotels Fawlty Towers an den Widrigkeiten des Lebens in Form von Mäusen oder untalentierten Kellnern verzweifelt oder ob ihm als übertrieben korrekter Schuldirektor in »Clockwise« sein Leben zur Freude der Zuschauer durcheinandergewürfelt wird – das typisch englische Motto lautet: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
    Das Wunderbare an diesen Klischees von den sich jeder Herausforderung stellenden, exzentrischen Engländern ist: sie stimmen.
    Der englische Alltag ist geprägt von einem freundlich- fröhlichen Individualismus und einer Leichtigkeit des Seins, die man in Deutschland, vom Rheinland einmal abgesehen, so nicht kennt.
    Nehmen wir zum Beispiel die Liebe des Engländers zur Bühne. Dabei geht es nur bedingt darum, regelmäßig als Zuschauer ins Theater zu gehen. Nein, auf die Bühne zieht es ihn. Hier ist nicht etwa die Rede von den in Deutschland weitverbreiteten schrecklich tiefsinnigen Theaterstücken, die mit pathetischer Stimme vorgetragen werden, das Publikum an den Rand einer Massendepression bringt und bei denen man nicht lächelt, weil das Leben doch so ernst ist. Ganz im Gegenteil: Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so viele Laientheatergruppen wie auf der Insel und Theaterstücke, die im Leben, das hart genug ist, fröhliche Abwechslung bieten. Ob Brighton, Salisbury, Taunton oder Exeter: in praktisch jedem größeren, aber auch so manch kleinem Ort sollten Sie die Augen aufhalten nach den Plakaten, die die nächste Aufführung ankündigen, denn hier haben Sie die Gelegenheit zu amüsanten Charakter- und Mentalitätsstudien.
    Da ist zum Beispiel die MATA in Minehead, die Minehead Amateur Theatre Association, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das alte, mottenzerfressene Regal Theatre regelmäßig zu bespielen. Vielleicht kommt ja irgendwann mal so viel Geld in die Theaterkasse, daß das Dach neu gedeckt werden kann und die Zuschauer in den hinteren Rängen nicht mehr unterm Regenschirm sitzen müssen. Weitere Unterstützung kommt von den Friends of the Regal, die jedes Jahr voller Stolz auf das Theater einen Beitrag von mindestens fünf Pfund beisteuern, und dafür auch noch das Programm zugeschickt und eine Ermäßigung auf die Tickets bekommen.
    Auch bei der Somerset Opera handelt es sich um einen Verein von Amateuren, die im Alltag Metzger, Lehrer, Verkäuferin oder Krankenschwester sind, aber zweimal im Jahr eine Opern- oder Operettenaufführung im Regal Theatre auf die Bühne bringen. Beliebt sind vor allem Stücke von Gilbert & Sullivan, dieser äußerst erfolgreichen Allianz von Bühnenautor (W. S. Gilbert, 1836-1911) und Komponist (Arthur Sullivan, 1842-1900). Die beiden konnten sich zwar nicht leiden, schrieben nichtsdestotrotz aber zahllose Kassenschlager. »The Mikado« ist so ein Stück, »HMS Pinafore« ein anderes. Vor ein paar Jahren nahm sich die Somerset Opera eines anderen Gilbert & Sullivan-Werkes an: »The Pirates of Penzance«, das am 31. Dezember 1879 in New York Weltpremiere gefeiert hatte. Bei seiner Ankunft in New York mußte Sullivan feststellen, daß er die Noten für den ersten Akt zu Hause gelassen hatte. Er setzte sich hin und schrieb alles noch einmal, so gut es ging, aus der Erinnerung: Um fünf Uhr morgens am Tag der Uraufführung war er fertig. Den ganzen Morgen verbrachte er mit Proben, ging um Viertel vor zwei ins Bett, konnte aber nicht schlafen. Bevor er seine Position als Dirigent im Orchestergraben einnahm, aß er ein Dutzend Austern und trank Champagner. In seinem Tagebuch schrieb er anschließend: »Positive Reaktionen. Aufführung lief wunderbar. Riesiger

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