Gebrochene Versprechen
ihre Finger. »Danke«, sagte er.
»Keine Ursache. Brauchst du sonst noch etwas?«
»Nein, alles prima.« Er nahm die Gabel und stocherte in den Nudeln herum.
»Ich komm dann wieder, wenn du fertig bist«, sagte sie, weil sie sich blöd vorkam, am Bett herumzustehen und ihm beim Essen zuzuschauen.
»Was dagegen, wenn ich dein Bad benutze?«, erkundigte er sich. »Ich würde gern duschen.«
»Klar, kein Problem. Aber was ist mit dem Verband?« Sein Rücken war dick einbandagiert.
Er schob sich eine Gabel voll Nudeln in den Mund. »Der kommt ab.«
»Hältst du das für klug?«
»Ich bin früher schon einmal angeschossen worden«, erklärte er und griff nach dem Wasserglas. »Die Wunde verheilt trocken schneller.«
Er war schon mal angeschossen worden? Sein Job kam ihr plötzlich unnötig riskant vor. »Pass bloß auf, dass die Wunde nicht wieder aufgeht. Über der Toilette sind noch mehr Handtücher.« Soll ich dir vielleicht helfen ?
»Du könntest mir nachher den Rücken mit Salbe einreiben.«
Hatte sie ihn das etwa wirklich laut gefragt?
»Gut.« Halt suchend griff sie nach dem Türknauf. Luther sah sie heute irgendwie anders an. In seinem Blick lag ein Feuer, das vorher nicht da gewesen war, mit Ausnahme von jenem Moment, als sie … »Ich komme dann so in einer halben Stunde wieder.«
»Bis dann.« Er schaute ihr nach und wirkte, wie er so auf ihrem riesigen Bett saß, ziemlich verlassen.
Hannah schloss, von Vorfreude wie beflügelt, die Tür hinter sich. Am oberen Treppenabsatz blieb sie noch einmal stehen. Würden sie nun, vorausgesetzt Luther flirtete tatsächlich mit ihr – woran ihrer Meinung nach kaum ein Zweifel bestand – in ihrer Beziehung einen Schritt vorankommen?
Sie würde verrückt werden, falls nicht. Er war der Schwarm aller Frauen, und sie bildete da keine Ausnahme. Es wäre schlichtweg verrückt gewesen, sich nicht auf ihn einzulassen, selbst wenn nichts daraus wurde. Das Leben war einfach zu kurz. Man musste jede Gelegenheit beim Schopf packen.
Entschlossen, aber mit weichen Knien stieg sie die Treppe hinunter.
Westy blickte von der Zeitung auf, die er gerade missmutig durchblätterte. Hatte Luther in Hannahs Bett bereits etwas deplatziert gewirkt, so gab der Chief, der auf ihrem geblümten Zweisitzer saß und von Teetischchen mit Spitzendecken sowie ihrer Glas- und Porzellanfiguren-Sammlung umgeben war, ein vollkommen widersprüchliches Bild ab.
Als er ihre geröteten Wangen bemerkte, umspielte ein kleines, vielsagendes Lächeln seine Mundwinkel. »Wie geht’s unserem Schneewittchen?«, fragte er gedehnt.
»Besser«, antwortete sie geradeheraus und durchquerte das Zimmer, um sich ein Staubtuch aus der Küche zu holen.
Ihr Reihenhaus war vom FBI komplett auf den Kopf gestellt worden, und die Beamten hatten sich nur wenig Mühe gegeben, alles wieder in Ordnung zu bringen. Sie waren zwar auf nichts gestoßen, das ihnen bei ihren Ermittlungen weiterhalf, hatten aber sicherheitshalber einer Schneise der Verwüstung geschlagen.
Durch ihre dreiwöchige Abwesenheit war es natürlich nicht besser geworden. Die antiken Möbel und Erbstücke zierte eine dünne Staubschicht, ihre Küchenkräuter waren eingegangen und, wie sie Luther gegenüber bereits erwähnt hatte, rund die Hälfte ihrer Lebensmittel im Kühlschrank musste weggeschmissen werden.
»Westmoreland weist die Beschuldigungen des FBI zurück«, nuschelte Westy hinter der Zeitung hervor. »Und eine Menge Leute stellen sich schützend vor ihn – Senatoren, Botschafter, Direktoren.«
Hannah lief mit dem feuchten Tuch zur Anrichte im Esszimmer. »Tja, natürlich leugnet er, das Individuum zu sein«, antwortete sie und wischte über die staubige Oberfläche. »Was erwartet das FBI denn? Ein Geständnis?«
Westy knurrte. »Er verlangt einen Lügendetektortest.«
Hannah hielt kurz inne, arbeitete dann jedoch weiter. »Dann hoffe ich mal, die lassen ihn nicht laufen, sollte er ihn bestehen. Ich habe schon von anderen Schuldigen gehört, die den Test heil durchlaufen haben.«
Westy schwieg.
Für einen kurzen Augenblick kamen Hannah Zweifel. Valentino war bei seinen Vorbereitungen auf die Festnahme bestimmt äußerst gründlich vorgegangen, aber was, wenn er den Falschen verhaftet hatte? Dann war das Individuum noch auf freiem Fuß und Hannahs Leib und Wohl nicht viel weniger bedroht als noch vor Kurzem.
Der unangenehme Gedanke ließ sie aus dem Erkerfenster des Esszimmers blicken. Der auf der anderen Straßenseite
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