Gebrochene Versprechen
parkende Winnebago war ein beruhigendes Zeichen. Sie hatte nicht nur zwei SEALs, die auf sie aufpassten, sondern auch ihre eigenen Leibwächter. Galworth und Stone, die von Westy einheitlich als die »Gallensteine« titulierten Männer ihres Patenonkels, ließen ihre Haustür nicht aus den Augen.
Luther wischte in einer Kreisbewegung über den beschlagenen Badezimmerspiegel und unterzog sein Äußeres einer genauen Prüfung. War ihm bewusst, was er da gerade tat? Oder gab er nur seinen Trieben nach und pfiff auf den gesunden Menschenverstand?
Doch sein Handeln kam ihm so richtig vor. Nachdem er verarbeitet hatte, welche Anziehungskraft sie auf ihn ausübte, fühlte er sich bei Hannah ausgesprochen wohl, als würde er sie schon sein ganzes Leben lang kennen. Was also war falsch daran, vorausgesetzt, sie wollte ihn überhaupt?, fragte er sein Spiegelbild.
Und sie wollte ihn. Sie mochte zwar einige Male auf ihm eingeschlafen sein und ihn wie einen Waffenbruder behandeln, doch ihr Blick verriet bereits seit einiger Zeit, wie groß ihr Verlangen war, ebenso wie die roten Flecken auf ihren Wangen, die neuerdings, ohne die dicke Schminke, die zu ihrer Tarnung gehört hatte, besonders ins Auge stachen.
Und ungeachtet der Tatsache, dass sie in ihren eigenen Klamotten etwas jünger aussah, war sie schließlich eine erwachsene Frau – immerhin sechsundzwanzig Jahre alt. In diesem Alter konnte eine Frau auch ohne große Gefühle Spaß am Sex haben.
Aber das war wohl eher, wozu er tendierte, gestand Luther sich ein und verzog das Gesicht.
Allerdings nur, wenn er von vornherein keine Gefühle zuließ. Hannah mehr als nur körperlich zu begehren war nicht gut. Sobald sie diese Sache hinter sich gebracht hätten, würde sie zur CIA zurückkehren, und das sicher nicht, um einen sicheren Schreibtischjob anzutreten. Als Nachrichtenoffizierin würde sie es mit gefährlichen und unberechenbaren Menschen zu tun bekommen, und – um das Vertrauen dieser Leute zu gewinnen und Informationen zu sammeln – ihren ganzen Charme einsetzen müssen. Dass sie dazu in der Lage war, das wusste er, aber kaum auszumalen, was passieren mochte, sollte sie auch nur ein einziges Mal unachtsam sein.
Und er konnte sie unmöglich bitten, seinetwegen ihre Pläne zu ändern. Andererseits musste er zugeben, dass er ihre Gegenwart genoss, solange er noch die Möglichkeit dazu hatte. Gut, solange es nur die körperliche Anziehung betraf.
Seit er in ihrem Bett geschlafen hatte, war die Sache für ihn entschieden. In ihren Duft gehüllt hatte er dagelegen und die verführerische Atmosphäre ihres geschmackvoll eingerichteten Schlafzimmers genossen: das verzierte Fußende ihres Bettes, die halb abgebrannten weißen und violetten Kerzen, die neben ihm auf einem Silbertablett standen, und die im Fenster hängenden Amethyste, die das Sonnenlicht brachen. Die liebevoll gerahmten Bilder von Hannah und ihrer Familie hatten ihm das Gefühl gegeben, ihr nahe zu sein.
Und schließlich hatte er sie sich vorgestellt, wie sie eng umschlungen mit ihm im Bett lag, und ihm war bewusst geworden, dass diese Erfahrung den später zwangsläufig eintretenden Verlust wert sein würde. Er musste mit ihr zusammenkommen. Wenn nicht, würde er es bereuen.
Er trocknete sich mit dem Handtuch die Haare ab und nahm einige Kondome aus dem Futteral seines Rasierzeugs. Dann griff er sich das Antibiotikum, das Schwester Rex ihm beim Verlassen von Pax River aufgedrängt hatte, und kehrte nackt ins Schlafzimmer zurück. Bei der Vorstellung daran, wie Hannah reagieren würde, wenn sie ihn im Adamskostüm sähe, musste er grinsen.
Sie entschuldigte sich, ignorierte Westys bedeutungsvollen Blick und ging die Treppen hinauf, um Luthers Tablett zu holen. Mit Schmetterlingen im Bauch und schweißnassen Händen stand sie vor der Tür ihres Schlafzimmers.
»Komm rein«, hörte sie Luther auf ihr leises Klopfen hin rufen.
Sie fand ihn in einen Stapel Kissen gebettet, die Decke gerade einmal bis über die Hüften gezogen. Einen Arm hatte er in einer Haltung äußerst männlichen Selbstvertrauens, die lediglich von seinem gespannten, leicht unsicheren Gesichtsausdruck abgemildert wurde, hinter dem Kopf verschränkt. Die Nachttischlampe tauchte das Zimmer in schwaches, goldenes Licht, in welchem seine nackte Brust wie gemalt aussah.
Hannah schluckte. »Hast du, äh, hast du den Verband schon abgenommen?«, fragte sie mit wild schlagendem Herzen.
Er spannte die Schultern an. »Ja. Im Rücken
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