Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geburtstag in Florenz

Geburtstag in Florenz

Titel: Geburtstag in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
Vom Netzwerk:
üblich vorwerfen, daß er ihr nie etwas erzählte, aber in diesem Fall gab es wirklich herzlich wenig zu erzählen. Außerdem konnte er nicht mit ihr reden, denn sowie er den Mund aufmachte, würde sie – Rauch hin oder her – den Rest der Schokoladentorte riechen.
    Vittorios dünne Beine reichten nicht bis zum Fußboden, doch man sah, daß er sich, so unbequem er auch saß, nicht getraute, auf dem harten Plastikstuhl hin und her zu zappeln. Auch die Narben an seinen Knien sah man ganz deutlich. Komisch war nur, wie der Maresciallo hatte vergessen können, daß der Junge nie Socken trug. Im Winter mußte er erbärmlich gefroren haben, aber niemand verschwendete je einen Gedanken daran. Es gehörte ganz einfach zu Vittorio, daß er immer ohne Socken ging. Der Richter hielt gerade einen längeren Vortrag, aber es kam kein Laut aus seinem Mund, und niemand im Gerichtssaal schien zu erwarten, daß Vittorio zuhörte, geschweige denn Antwort gab. Der Maresciallo wußte, daß Schwester Benedetta, ob wohl sie nicht da war, dem Jungen irgendwann befehlen würde, sich in der Ecke auf die Reiskörner zu knien. Allein, obwohl er sich gründlich umgesehen hatte, konnte er die Ecke mit dem Reis nirgends entdecken. Aber das lag vielleicht daran, daß man hier nicht in einem Klassenzimmer war, sondern im Gerichtssaal.
    »Maresciallo Salvatore Guarnaccia!«
    Der Maresciallo fuhr hoch, und sofort brach ihm der kalte Schweiß aus. Sie konnten doch nicht von ihm erwarten … Aber obwohl er den Mund aufmachte, um zu protestieren, kam kein Laut aus seiner Kehle, und gleich darauf saß auch er auf einem roten Plastikstuhl. Das schlimmste war, daß der Richter jetzt zu ihm sprach, doch so sehr er sich auch anstrengte, ihn zu verstehen – seine Worte blieben ein verzerrtes, diffuses Gestammel. Der Maresciallo langte nach dem Mikrophon, zog seine Hand aber gleich wieder zurück. Nein, das war doch keine Hörhilfe, sondern ein Gerät zum Hineinsprechen. Vom anderen Ende des Saals rief Fusarri ihm fröhlich zu: »Erzählen Sie ihm von dem betrunkenen Ehemann! Das ist der Clou!« Das wundersame war, daß weder er noch die Signora Torrini rauchten. Doch man war ja hier im Gerichtssaal, erinnerte er sich abermals, und da herrschte natürlich Rauchverbot. Das war seine eigene Stimme, die er jetzt hörte. Wenigstens die war klar und deutlich.
    »Am Ort des Geschehens wurden keine Spuren sichergestellt, die auf ein Verbrechen hindeuten. Allerdings wurden auf dem Nachttisch der Verstorbenen zwei Kapseln gefunden, die noch analysiert werden müssen. Die Leiche der verstorbenen Celia Carter, geboren am 12. Februar 1947 in Großbritannien und wohnhaft in der Villa Torrini, Via dei Cipressi, Florenz, bleibt bis auf weiteres der Verfügungsgewalt des Gerichts unterstellt. Auf Anordnung des stellvertretenden Staatsanwalts Virgilio Fusarri wurde der Leichnam ins gerichtsmedizinische Institut überführt.
    Unter dem Vorbehalt, weitere Ergebnisse nachreichen zu dürfen, übersende ich Ihnen in der Anlage …«
    Der Maresciallo brach mitten im Satz ab. Was erzählte er da? In einem Kreuzverhör kann man nichts nachreichen und schon gar keine Anlagen verschicken. Er hatte seine Aussage mit einem schriftlichen Bericht verwechselt.
    »Jedenfalls«, warf die Signora Torrini ein, »jedenfalls geht es mir jetzt wieder gut. Sie haben das Wasser aus der Wanne gelassen, und ich bin zurück nach Hause. Er ist tot. Ich hab ihn natürlich nie leiden können, weil er das mit den Zitronenbäumchen gemacht hat, aber man soll trotzdem keine üble Nachrede führen, und strenggenommen hat er es ja auch nicht getan. Wenn Sie sich meinen Hals und die Schultern ansehen, werden Sie nicht den kleinsten blauen Fleck entdecken, folglich hat er mich auch nicht untergetaucht.«
    Der Maresciallo wollte eben darauf hinweisen, daß ja immer noch die Sache mit den Schlaftabletten zu klären sei, die man ihr vielleicht heimlich verabreicht hatte, als er entsetzt feststellte, daß Signora Torrini doch gar nicht hätte hier sein dürfen. Hatte er nicht eben gesagt, der Leichnam befände sich im gerichtsmedizinischen Institut? Fusarri beobachtete ihn, und seine Augen blitzten vor unterdrückter Schadenfreude über Guarnaccias verkorksten Auftritt. Und schuld an allem war nur Vittorio!
    »Warum zum Teufel mußtest du mir das aufhalsen? Wieso hast du dir von allen Orten, wo du diese Frauenleiche hättest hinschaffen können, ausgerechnet den Palazzo Pitti ausgesucht?«
    Vittorios umflorter

Weitere Kostenlose Bücher