Geburtstag in Florenz
Galli.
»Ich glaube, uns hat’s ein paar Ziegel vom Dach geweht. Das wird mich wieder ’ne schöne Stange kosten.«
Die Carabinieri, die draußen auf Posten standen, sahen trotz der dick gepolsterten, kugelsicheren Westen unter der Uniform völlig durchfroren aus. Krampfhaft umklammerte jeder seine Maschinenpistole und zog die Schultern hoch zum Schutz gegen das wütende Heulen der tramontana, das ihnen in den Ohren dröhnte.
»Kommen Sie, ich lade Sie auf einen Kaffee ein.«
»Also … mein Fahrer wartet.«
Doch Fara saß so mollig warm und windgeschützt hinter der sonnenbestrahlten Windschutzscheibe, daß man ihn getrost noch ein bißchen länger warten lassen konnte. Der Maresciallo mußte seine Mütze mit beiden Händen festhalten, als sie die Piazza San Firenze überquerten und der einladenden Wärme einer großen Eckbar zustrebten.
Die eisige tramontana lieferte ihnen den Vorwand dafür, sich den starken Kaffee mit einem Schuß Grappa servieren zu lassen.
»Daß Sie den Fall Forbes bearbeiten, weiß ich von Fusarri«, erklärte Galli. »Der freut sich anscheinend wie ein Schneekönig, daß er Sie zugeteilt bekommen hat.«
»Pah!« Das war auch wieder typisch Fusarri, daß er unter den Journalisten Freunde hatte anstatt, wie es klüger gewesen wäre, nur Bekannte. Er und Galli hatten wahrscheinlich sogar denselben Schneider und Friseur. Auch daß sie zuviel rauchten, hatten beide gemeinsam. Galli steckte sich gerade eine an, allerdings gottlob nur eine einfache Zigarette.
»Sie mögen ihn nicht? Tja, kann mir denken, daß er nicht unbedingt Ihr Typ ist. Aber ihr Carabinieri könnt ja die Magistrati sowieso nicht leiden, schon aus Prinzip nicht, geben Sie’s ruhig zu.«
Der Maresciallo gab, schon aus Prinzip, nichts dergleichen zu.
»Ich finde ihn nur ein bißchen merkwürdig, das ist alles. Diese Art, ständig so zu gucken, als ob er was Wichtigeres im Kopf hätte und einem nur aus Höflichkeit zuhörte. Ich weiß, er hat viel um die Ohren, aber trotzdem … Was kann denn wichtiger sein als der Fall, den er grade bearbeitet?«
»Die Frauen.«
»Was?«
Galli lachte vergnügt.
»Wußten Sie das nicht? Na ja, Ihnen wird er so was vermutlich kaum auf die Nase binden. Aber es stimmt schon – außer gutem Essen und seinen Zigarillos sind die Frauen sein einziges Hobby. Ist auch ’n ganz wackerer Kämpfer, das können Sie mir glauben. Wir haben so ein-, zweimal dieselbe Flamme gehabt – aber nie gleichzeitig, er ist nicht der Mann, mit dem ich mich gern anlegen würde.«
Galli kniff die Augen gegen den Rauch zusammen und grinste den Maresciallo von der Seite an. »Sie haben ihn natürlich durchschaut, Guarnaccia! Er hört Ihnen tatsächlich nur aus Höflichkeit zu – na ja, man könnte auch sagen mit einer Art bildungsfreudigem Interesse. Er könnte es sich übrigens jederzeit leisten, seinen Beruf an den Nagel zu hängen, aber die Arbeit macht ihm einfach Spaß.«
»Aha. Das erklärt manches.«
»Bis zu einem gewissen Punkt, ja, aber daß Sie mir jetzt keine falschen Schlüsse ziehen. Der Mann ist brillant! Doch nun zu Forbes. Sagen Sie, werden Sie ihn verhaften?«
»Wieso? Ich hätte übrigens nicht gedacht, daß der Fall für Sie interessant wäre.«
»Ist er auch nicht, wenn Sie an eine Story denken. Außerdem bin ich mit dem Bestechungsskandal in der Stadtverwaltung voll ausgelastet. Nein, Forbes interessiert mich, weil wir seit Jahren schon mit den Forbes befreundet sind.«
»Wenn das so ist«, sagte der Maresciallo seufzend, »dann können Sie mir sicher mehr erzählen als umgekehrt. Ich kann Ihnen eigentlich nur sagen – vorausgesetzt, Sie verwenden’s nicht –, daß einer wie ich bei dem Fall nichts verloren hat. Ich gehöre zu Leuten wie denen da.« Er deutete auf das Gerichtsgebäude gegenüber. »Wenn so was passiert wie mit der Grazzini, dann können Sie sich drauf verlassen, daß ich die Schuldigen in ein paar Tagen hinter Schloß und Riegel habe. Aber einer wie dieser Forbes …«
»Den mögen Sie auch nicht? Ja, verstehe schon, keine Antwort ist auch eine Antwort. Wissen Sie, ich hab zwar gesagt, wir wären befreundet …« Galli stockte.
»Aber es war Celia Carter, die Sie gemocht haben«, ergänzte der Maresciallo.
»Dann wissen Sie also doch etwas?«
»Nein, nein … Bloß eine Nachbarin, die ein bißchen getratscht hat. Von ihr hörte ich, daß sie sich sogar gestritten hätten, Forbes und seine Frau, weil all ihre Freunde angeblich nur Celias Freunde
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