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Geburtstag in Florenz

Geburtstag in Florenz

Titel: Geburtstag in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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solch einem Abend in die Kälte hinauszuhetzen.«
    »Nein, nein …« wehrte der Maresciallo ab und erhob sich steifbeinig in der kalten Mesnerkammer. »Nein, Sie haben ganz richtig gehandelt.«
    8
    Der Herr schenke ihr die ewige Ruhe Und lasse Sein Licht leuchten über ihr immerdar.
    Sie ruhe in Frieden. Amen.
    Der Maresciallo stahl sich leise hinaus und wartete in der Nische neben dem Eingang, wo er wenigstens einigermaßen vor dem eisigen Wind geschützt war. Von hier aus sah er zu, wie Forbes hinter dem Sarg aus der Kapelle trat. Er trug einen dunklen Anzug, der aber nicht schwarz war, genausowenig wie seine Krawatte. Die Tochter ging neben ihm, und der Maresciallo sah zum ersten Mal ihr Gesicht. Sie war hübsch; sehr zart, fast zerbrechlich und vom Typ her deutlich heller als ihre Mutter. Auch sie war nicht in Schwarz, sondern trug einen schweren dunkelblauen Mantel. Ihr Blick traf den Maresciallo, und das, wie ihm schien, nicht zufällig, sondern so, als ob sie nach ihm Ausschau gehalten hätte. Überraschenderweise hatte sie dunkle Augen. Der Maresciallo, der sie sich der hellblonden Haare wegen blauäugig vorgestellt hatte, bemerkte jetzt auch, daß sie pinkfarbenen Lippenstift aufgetragen hatte. Obgleich er sich nicht gerade für einen Experten hielt, fand er, daß sie wirklich sehr hübsch aussah. Als man den Sarg auf den Leichenwagen hob, wankte sie und schien sich auf Forbes’ Arm stützen zu wollen, doch der kam ihr zuvor und wich seitwärts aus. Mary Mancini sprang rasch vor, nahm das Mädchen beim Arm und dirigierte es mit sanftem Druck zu der Limousine, die gleich hinter dem Leichenwagen stand. Forbes stieg notgedrungen auf der anderen Seite ein, denn offenbar war dies der einzige angemietete Trauerwagen, alle anderen waren mit eigenen Fahrzeugen gekommen. Im Fonds rückte Forbes ostentativ von dem Mädchen ab und starrte aus seinem Fenster, scheinbar ohne die Anwesenheit des Maresciallos zur Kenntnis zu nehmen. Aber er hätte genausogut Augen im Hinterkopf haben können, so deutlich spürte Guarnaccia, daß er in Wirklichkeit niemand anderen wahrnahm.
    »Wollen wir gehen?« Mary Mancini stand neben dem Maresciallo. Sie sprach im Flüsterton. Zuvor schon hatte sie ihm erklärt, daß sie nicht mit auf den Friedhof könne, weil sie dann nicht rechtzeitig zu Hause wäre, wenn ihre Jüngste aus der Schule kam.
    Der Leichenzug setzte sich in Bewegung, und die beiden überquerten hinter dem letzten Wagen die Straße.
    »Ist das Ihr Auto, das mit dem Chauffeur? Wir können aber auch gut zu Fuß gehen. Da brauchen wir nämlich bloß hier über die Brücke und sind bestimmt schneller da.«
    Der Maresciallo war zwar völlig durchfroren, mochte ihr aber nicht widersprechen. Also gab er Fara rasch Anweisung, ohne ihn zu fahren, und dann strebten sie der Brücke zu. Der Wind blies ihnen so heftig ins Gesicht, daß der Maresciallo kaum Luft holen konnte, doch auf Mary Mancini wirkte die tramontana anscheinend gesprächsfördernd.
    »Ein gutaussehender Junge, nicht wahr?«
    »Wie bitte?«
    »Na, Ihr Fahrer! Macht auch einen sehr intelligenten Eindruck, und man sieht gleich, daß er Sie vergöttert!«
    Eine solche Bemerkung im Verein mit dem böigen Wind verschlug dem Maresciallo vollends die Sprache, und die beiden überquerten schweigend die Brücke.
    »Jetzt hier links. Finden Sie nicht auch, daß die tramontana einfach himmlisch ist? Mir kommt sie immer vor wie ein belebender Frühjahrsputz. Normalerweise steht die Luft so träge über dem Arno-Tal, daß man das Gefühl hat, Achselschweiß einzuatmen. Dieses muntere Lüftchen haben wir wirklich dringend gebraucht.« Damit hob sie das Gesicht empor und schnupperte entzückt die eisige Luft. »Natürlich wollen wir nicht, daß uns ein Brocken erlesener Renaissancearchitektur auf den Kopf fällt.« Eine Bemerkung, die ihr vermutlich der Anblick der Feuerwehr eingab, die eben dabei war, das Sträßchen, in das sie einbiegen wollten, zu sperren, um einem solchen Mißgeschick vorzubeugen. »Wir können aber auch gleich hier durch.«
    Sie wohnte in einer ruhigen, abgelegenen Seitenstraße, deren Parterreläden fast ausnahmslos von Handwerkern belegt waren. Heute traten sie freilich, bis auf den markanten Geruch von Leim und Lack, kaum in Erscheinung, denn alle hatten ihre Türen zum Schutz gegen den Wind fest verschlossen, so daß die gewohnten Geräusche wie Sägen und Hämmern und das Radiogedudel aus den Werkstätten kaum zu hören waren. Es gab nur einen Kaufladen

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