Geburtstag in Florenz
Sie verstehen, was ich meine. O ja, versucht hat er’s bei jeder einzelnen von Celias Freundinnen. Ganz systematisch! Eine nach der anderen hat er uns belagert, und eine nach der anderen haben wir ihn abblitzen lassen.«
»Das war also kein Geheimnis?«
»Aber nein! Ich hab ihm eine Standpauke gehalten und ihn wie einen begossenen Pudel abziehen lassen. Trotzdem war ich sicher, daß er es auch anderswo probieren würde, und hab mich umgehört. Ich weiß von fünf weiteren Fällen. Julian war bei Celia impotent, und zwar schon seit geraumer Zeit, und das war seine Art, sie zu bestrafen. Außerdem wollte er beweisen, daß wir ihn genauso gern hätten wie sie und daß er ebenso brillant und bedeutend sei wie Celia. Beides traf nicht zu. Ist schon komisch, nicht? Die Welt ist voll von hingebungsvollen Ehefrauen, die stolz sind auf den Erfolg ihrer Männer, aber umgekehrt scheint das nicht zu funktionieren.«
»Vielleicht, wenn er selber auch erfolgreich gewesen wäre …«
»Sind die hingebungsvollen Ehefrauen auch nicht. Die sonnen sich nur im Ruhme ihrer Göttergatten.«
»Verheiratet waren sie schon, oder? Ich frage nur, weil der Name in ihrem Paß …«
»O ja, Celia hat weiter den Namen Carter geführt, teils wegen Jenny, teils weil der Autorenname Carter bereits ein Begriff war, aber sie hat Julian ordnungsgemäß geheiratet. Ich hatte oft den Eindruck, es tue ihr im nachhinein leid, obgleich sie nie was gesagt hat. Sie hatten schon vorher zusammengelebt, und ich hab das Gefühl, ihre Probleme hatten bereits da begonnen, und Celia versuchte sie durch diesen Schritt aus der Welt zu schaffen, Sie wissen schon – wie diese Frauen, die schwanger werden, um ihre Ehe zu retten. Na, jedenfalls klappte auch das nicht, und indem er versuchte, mit ihren engsten Freundinnen ins Bett zu gehen, wollte er sich gewissermaßen aneignen, was ihr gehörte. Ein anderer seiner charmanten kleinen Tricks bestand darin, bei jedem Interview, das ein Journalist mit ihr machen wollte, anwesend zu sein, vor allem hier in Florenz. In London konnten sie sich viel freier bewegen. Das Haus dort ist sehr groß, und im übrigen kann man immer ins Pub ausweichen oder so. Aber hier, in diesem beengten Domizil, hätte sie ihn schon hinauswerfen müssen, wenn er nicht aus eigenem Antrieb diskret verschwand, was ihm natürlich nie einfiel.«
»Sie meinen, er saß dabei und hörte zu?«
»Julian und zuhören? Daß ich nicht lache! Der Journalist – in einem Fall war ich es, die ein Interview für ein britisches Hochglanzmagazin machen sollte – stellte Celia eine Frage, doch bevor sie auch nur den Mund aufmachen konnte, gab er bereits die Antwort, und zwar ganz ausführlich. Er redete über ihre Arbeit, als ob sie gar nicht da wäre oder als ob …«
»Als ob sie tot wäre?«
»Ja, ich glaube, das wollte ich tatsächlich sagen, auch wenn ich es früher nie so gesehen habe. Er ist doch jetzt ihr Nachlaßverwalter, oder? Er wird ihre Tantiemen einstreichen, ihre Bücher neu herausgeben und seinen Namen drauf setzen … Womöglich schreibt er sogar ein Buch über sie und baut sich auf ihren armen Gebeinen tatsächlich noch eine eigene Karriere auf – und für jeden, der ihn nicht näher kennt, wirkt er ja durchaus glaubwürdig! Hatten Sie nicht auch den Eindruck?«
»Na ja, als ich ihn das erste Mal sah, da lag er sturzbetrunken im Zimmer neben der Leiche seiner Frau, also … Trinkt er eigentlich immer soviel?«
Mary nippte an ihrem Kaffee und runzelte grüblerisch die Stirn. »Hm, nein. Ich hatte nie den Eindruck, daß er sich regelrecht betrinkt. Normalerweise trank er nicht mehr als wir anderen auch, aber es ist komisch … Ich versuche, mich genau zu besinnen … die paarmal, die ich ihn so betrunken gesehen habe, daß er umgekippt ist … Ich weiß natürlich nicht, ob er da womöglich vorher schon anderswo getrunken hatte, also kann ich’s nicht beschwören, aber ich bin fast sicher, daß er auch da nicht mehr intus hatte als alle anderen.«
»Sie meinen, er hat vielleicht sonst noch was genommen, womöglich Rauschgift?«
»Nein! Jetzt weiß ich, woher’s kam! Er hatte Angst. Da bin ich mir ganz sicher. Es passierte immer nur dann, wenn er sich fürchtete. Einmal geschah es kurz nach meiner Auseinandersetzung mit ihm. Wir waren bei Galli zum Abendessen, und ob Sie’s glauben oder nicht, er versuchte es tatsächlich wieder, begrapschte mich und bettelte darum, mich besuchen zu dürfen. Dabei war Celia im selben Raum! Ich sagte
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