Geburtstag in Florenz
auch sehr unordentlich, aber auf eine heitere Art, die von buntbewegtem Familienleben zeugte und von zu wenig Zeit fürs Aufräumen.
»Verzeihen Sie das Durcheinander. Und warm erscheint es Ihnen bloß, weil Sie so durchfroren sind. Dieses Haus läßt sich sehr schwer heizen. Ich schlage vor, wir bleiben in der Küche, da ist es noch am wärmsten, und ich mache uns was Heißes zu trinken. Legen Sie doch den Mantel ab.«
Das Küchenfenster ging auf den Klostergarten in der Parallelstraße hinaus. Die Krone eines großen immergrünen Baumes schwankte heftig im Wind, aber die Sonne, die voll hereinschien, machte den kleinen Raum mollig warm.
»Mögen Sie einen Milchkaffee?«
»Ja, sehr gern.« Er sah ihr beim Kaffeekochen zu und fühlte sich in ihrer Gegenwart so unbefangen, als hätte er sie schon seit Jahren gekannt. Vielleicht kam das daher, daß sie selber so ungezwungen auftrat. Sie war hochgewachsen, genauso groß wie der Maresciallo, und bewegte sich ganz locker und selbstsicher. In ihrem hellbraunen Haar schimmerten die ersten grauen Strähnen, die Augen waren tiefblau. Sie trug kein Make-up, sah aber auch so sehr nett aus, fand der Maresciallo. Ja, in jeder Beziehung eine nette Frau.
»Dankeschön.«
»Der Zucker steht auf dem Tisch.« Sie setzte sich ihm gegenüber und wärmte die Hände an der Tasse. »Wie sind Sie denn mit Father Jameson zurechtgekommen?«
»Ich fand ihn sehr sympathisch.«
»Ja, er ist ein Schatz. Und konnte er Ihnen helfen?«
»Ein bißchen. Nein, eigentlich hat er mich ein ganzes Stück weitergebracht. Sie kennen doch Galli, den Journalisten?« Mary nickte. »Er hatte den Eindruck, daß an Weihnachten etwas vorgefallen sein muß zwischen Forbes und seiner Frau, und genau an Heiligabend ging Mrs. Carter zu Father Jameson – oder vielmehr, sie traf zufällig mit ihm zusammen. Aber Father Jameson meint, es kommt oft vor, daß langanhaltende Probleme sich gerade an Weihnachten zuspitzen, und ich denke, da hat er recht.«
»Hat Celia ihm denn erzählt, was sie bedrückte?«
»Nein, nein … Sie hat nur gesagt, daß sie sich schämt.«
»Ach? Ich kann mir nicht vorstellen, daß Celia … Es sei denn, sie schämte sich für etwas, das Julian getan hat. Sie hatte einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, und vermutlich spielte auch ihr Stolz eine Rolle dabei.«
»Ja, ja …« So wohl er sich auch in ihrer Gesellschaft fühlte, die nächste Frage fiel ihm wirklich nicht leicht. Aber er kam nun einmal nicht darum herum. »Forbes gab mir zu verstehen …« Hilfesuchend schaute er in die tiefblauen Augen. »Er gab mir zu verstehen, daß er …«
Und sie kam ihm zu Hilfe. »… einen Angriff auf meine Tugend verübt hätte, wie es so schön heißt? Das hat er tatsächlich behauptet?«
»Na ja … mir hat er sogar erzählt, daß er Erfolg gehabt hätte.«
»Was? Das haben Sie ihm doch nicht geglaubt?«
»Geglaubt habe ich gar nichts, da ich Sie ja beide nicht kannte. Aber auch Galli hat mir versichert, es sei alles Blödsinn.«
»Natürlich! Aber es ist schon auch sehr merkwürdig, oder? Ich meine – Sie glauben doch nicht, daß Celia sich umgebracht hat, stimmt’s?«
»Nein, nein …«
»Dann müssen Sie ihn in Verdacht haben. Für mich ist er verdächtig, das können Sie mir glauben, und Sie wären vermutlich nicht hier, wenn Sie ihn nicht genauso auf dem Kieker hätten. Warum also sollte er seine Lage mit unwahren Prahlereien noch schlimmer machen, als sie ist?«
»Das weiß ich auch nicht. Und jetzt, wo ich Sie kennengelernt habe, kann ich mir nicht vorstellen, wie er auf die Idee gekommen ist, auch nur den Versuch zu wagen, Sie …«
Er hielt erschrocken inne, als er merkte, daß man seine letzten Worte womöglich als Beleidigung auffassen mochte, auch wenn er sie ganz anders gemeint hatte. »Ich wollte damit nicht …«
»Ich weiß genau, was Sie sagen wollten.« Sie lächelte ihn an.
»Und ich bin nicht gekränkt, im Gegenteil, ich fasse es gewissermaßen als Kompliment auf. Also, dankeschön. Arme Celia! Aber Sie haben wohl nicht verstanden, auf was Forbes aus war. Ihm ging es nicht um Sex. Ich hatte nie den Eindruck, daß ihm daran viel lag. Nein, was ihn interessierte, das waren nicht unsere Reize, sondern allein sein Ego.«
»Unsere?«
»Aber ja. Er hat Ihnen also nicht alles erzählt?«
»Sie waren die einzige, die er mit Namen nannte, aber er hat schon gesagt, daß es auch andere gab.«
Mary lächelte bitter. »Die gab es natürlich ebensowenig wie mich, wenn
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