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Geburtstag in Florenz

Geburtstag in Florenz

Titel: Geburtstag in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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sah ihn auch nicht mehr direkt an, sondern hielt den Blick auf einen imaginären Punkt neben ihm gerichtet. Guarnaccia schloß die Hand fester um den Rand der Mütze, die auf seinen Knien lag, hüstelte leise und fuhr dann fort.
    »Sie sind noch sehr jung, und der Tod Ihrer Mutter war gewiß ein schwerer Schock für Sie, aber Sie sind, denke ich, doch reif genug, um zu begreifen, daß es unsere Pflicht ist, – unter diesen Umständen – gewisse Fragen zu stellen …«
    Nichts. Genaugenommen sah sie nicht so aus, als ob sie alt genug wäre, es zu verstehen. Sie wirkte eher wie ein Kind, ein gehorsames, aber teilnahmsloses Kind – so teilnahmslos, daß er auf den Gedanken kam, sie sei vielleicht nicht ganz normal. Er hatte schon Geisteskranke erlebt, die sich gerade so ins eigene Innere verkrochen … aber dieses Mädchen ging auf die Universität, und weder Mary Mancini noch ihre Tochter, beides ganz normale, vernünftige Menschen, hatten auch nur entfernt angedeutet, daß mit Jenny irgend etwas nicht in Ordnung sein könnte. Er seufzte innerlich. Eine so undurchdringliche Mauer des Schweigens kannte er bislang nur von geistig Minderbemittelten oder zweifelsfrei schuldigen Kriminellen. Dieser brutale Kerl, Saverino, war so einer gewesen. Hatte bis zur Verhandlung den Mund nicht aufgemacht. Der kleine Jammerlappen Pecchioli war derjenige, der alles preisgab.
    Weniger hartgesottene Typen kriegte man oft durch ein paar Tage Haft weich, aber dieses zarte Geschöpf konnte er wohl kaum einsperren wie einen gemeinen Verbrecher. Der Maresciallo verlegte sich auf eine andere Taktik.
    »Eigentlich wollte ich ja etwas über Sie erfahren.«
    »Über mich? Was könnte Sie denn an mir interessieren?«
    Das war nicht viel, aber allemal besser als ihr beharrliches Schweigen. »Ich bin sicher, daß viele Menschen sich für Sie interessieren, für Ihre Gefühle, Ihre Pläne.«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Werden Sie Ihr Studium zu Ende führen?«
    Erneutes Achselzucken, das diesmal offenbar: ›Ich denke schon‹, bedeuten sollte.
    »Sie werden von jetzt ab unabhängig sein, sowohl finanziell als auch … in jeder anderen Beziehung. Da wäre es doch möglich, daß Sie lieber etwas anderes machen möchten.«
    »Ich werde überhaupt nie irgendwas machen!« Fast schrie sie ihm die Worte entgegen, und ihr Gesicht wechselte die Farbe.
    Sie schien den Tränen nahe. Der Maresciallo, wohl wissend, daß Sissi sie nebenan belauschte, schielte unbehaglich nach der Tür. Diese Unterredung verlief genauso verhängnisvoll wie sein Besuch bei Forbes, wo er gerade durch das Bestreben, jedem gefährlichen Thema auszuweichen, mit seiner harmlosen Bemerkung über die Möbel eine Lawine losgetreten hatte. Wirklich Pech, aber er mußte sich damit abfinden.
    »Das kann ich mir nicht vorstellen. Ihnen stehen doch alle Möglichkeiten offen. Sie sind ohne Zweifel ein intelligentes junges Mädchen, gehen auf die Universität und studieren … Italienisch, oder?«
    Sie nickte.
    »Was Sie bereits recht gut sprechen. Sie sind sehr hübsch und werden bald mehr Geld zur Verfügung haben, als Sie zum Leben brauchen. Die meisten Ihrer Altersgenossinnen würden Sie beneiden.«
    Ihre einzige Reaktion war ein abschätzig herabgezogener Mundwinkel, eine Miene, die der Maresciallo wohl zu deuten verstand. Denn er, dem so oft vorgeworfen wurde, daß er den Leuten hie richtig zuhöre, erriet fast immer, was sie dachten. Und dieses verächtlich süffisante, kleine Lächeln besagte, er habe keine Ahnung, wovon er rede.
    »Haben Sie sich überhaupt schon Gedanken über Ihren künftigen Beruf gemacht?«
    »Ich werde wohl Lehrerin werden müssen.«
    »Aber so, wie Sie das sagen, haben Sie offenbar keine Lust dazu?«
    Im stillen fragte er sich, wie sie ohne die Hilfe des gesprochenen Wortes zu unterrichten gedachte. Guarnaccia blickte auf ihre Hände, die glatt und makellos übereinanderlagen; die Nägel waren kurz und auffallend weiß. Nicht das kleinste Zucken: Diese Hände waren so reglos wie zwei tote Vögel. Der Maresciallo hatte das beklemmende Gefühl, daß er es hier nicht nur mit Schüchternheit oder auch einem chronischen Mißtrauen zu tun hatte, sondern daß diesem scheinbar vollkommenen Geschöpf irgendein nicht wiedergutzumachender Schaden zugefügt worden war.
    Ihre Mutter, die Jenny über alles liebte, hatte sie als ihr verlorenes Kind beweint. Als er sie wieder ansah, begegnete er ihrem anklagenden Blick.
    »Sie interessieren sich gar nicht für mich, nein,

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