Geburtstag in Florenz
hinunterspähte. In der Scheune dagegen war kein Lebenszeichen zu entdecken, kein Gesicht lugte hinter dem Gitterwerk hervor.
»Zu ihm gehen wir also nicht?« fragte Fara schüchtern.
»Er ist nicht da«, antwortete der Maresciallo. »Drüben brennt kein Feuer, und dabei haben wir’s etliche Grad unter Null.«
Fara hob den Kopf. Tatsächlich kringelte sich nicht das kleinste Rauchwölkchen aus dem Kamin der Scheune. Der Himmel über ihnen, den der eisige Wind leergefegt hatte, leuchtete in einem so tiefklaren Blau, wie man es im Sommer nie zu sehen bekam.
»Ich wünschte, ich würde hier wohnen«, sagte Fara mit einem sehnsüchtigen Blick auf die Villa Torrini, als er den Motor anließ.
»Die Leute, die hier leben«, versetzte der Maresciallo, »haben, scheint’s, nicht viel Freude dran.«
Der Maresciallo lag im Bett, ließ die Bilder des Tages an sich vorüberziehen und genoß nebenher das Geplapper seiner Frau, die geschäftig rein und raus lief und vor dem Schlafengehen noch überall aufräumte.
»Der Fischhändler sagt, die trauen sich nie im Leben, den Buckligen einzusperren – so nennt er ihn immer, nie bei seinem richtigen Namen, aber er ist eben Kommunist, da braucht man sich nicht zu wundern … Dieser emeritierte Professor war auch da, ich vergesse immer, wie er heißt, doch du hast ihn mal kennengelernt, als diese Ausstellung eröffnet wurde, und weißt also, wen ich meine … der kauft überhaupt sehr viel Fisch, macht sich nichts aus Fleisch, und er sagt, daß die schriftliche Rechtfertigung, die der Mensch bei den Magistrati eingereicht hat, ein typisches Mafia-Pamphlet war, das sehe man schon an den Formulierungen, der Argumentation, einfach an allem … glaubst du, daß sie den jemals einsperren werden? Salva? Salva!«
»Was? Ich weiß nicht …« Er schaltete sich in das Gespräch ein und spulte es im Geiste ein Stück zurück. »Du hast dich doch hoffentlich nicht dazu geäußert?«
»Natürlich nicht! … Ach, weißt du, es ist wirklich schön, die Jungs wieder hier zu haben.«
Dem konnte er nur beipflichten. Sonnengebräunt, dreckig und ausgelassener denn je – so waren die beiden hereingeschneit. Wie sie ihre Rucksäcke, Plastiktüten und Anoraks kunterbunt in der ganzen Wohnung verstreuten, sich gegenseitig mit ihren Geschichten, Klagen, Witzen und Geständnissen überschrien, hätte man glauben mögen, die tramontana sei quer durchs Haus gefegt. Inzwischen war alles wieder friedlich, und die Jungs schliefen den Schlaf der Erschöpften und Zufriedenen.
Eine kleine Mißstimmung hatte es allerdings, kurz nach ihrer Ankunft, doch gegeben. Und als Teresa jetzt ins Bett schlüpfte, kam sie noch einmal darauf zu sprechen.
»Warum hast du sie eigentlich nicht mitgehen lassen?«
»Was?«
»Warum hast du ihnen nicht erlaubt, mit den anderen zu diesem Pizza-Essen zu gehen? Die Lehrer waren doch auch dabei, es wäre ihnen schon nichts passiert.«
»Sie hatten gerade erst eine Woche Ferien.«
»Schon, aber das sollte doch auch nur so eine Art krönender Abschluß sein. Ich fand’s eine nette Idee.«
»Den beiden wird ohnehin schon viel zuviel erlaubt. Sie sind direkt verzogen.«
»Trotzdem sieht dir das nicht ähnlich. Normalerweise freust du dich doch, wenn sie ihren Spaß haben.«
Als sie merkte, daß keine weitere Aufklärung zu dem Thema zu erwarten war, ließ Teresa es auf sich beruhen. Nach einer kleinen Pause fragte sie: »Merkst du, wie still es auf einmal ist?«
»Mm?«
»Ich dachte erst, es kommt daher, daß die Jungs endlich schlafen, aber das ist es nicht. Der Wind hat sich gelegt.«
Sie hatte recht. Kein Laut drang mehr von draußen durch die Fensterläden.
»Na, Gott sei Dank.«
»Wie recht du hast«, sagte Teresa, die sich umdrehte und zum Schlafen zurechtlegte. »Es war schon eine arge Plage, ständig gegen diesen Sturm anzukämpfen. Morgen dürfte es schön werden, falls es sich nicht gleich wieder bezieht.«
»Wird es nicht.« Er lag noch wach, als sie längst eingeschlafen war, und schlug sich mit allerlei Zweifeln herum. War es richtig gewesen, Fara zum Il Caffè gehen zu lassen, für den Fall, daß Forbes dort auftauchte und … na, was und? Er hatte den Jungen nicht entmutigen wollen, indem er ihm seinen Plan ausredete, und es stimmte ja auch, daß Fara bislang in der Villa Torrini kaum aufgefallen war und daß Forbes ihn ohne Uniform bestimmt nicht wiedererkennen würde … Jedenfalls konnte es nichts schaden … Die andere Sache, die ihm Kopfzerbrechen
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