Gedankenmörder (German Edition)
aus einem größeren Stück herausgerissen. ‹Vielleicht entdecken unsere Biologen noch DNA daran›, dachte Steenhoff und setzte die Befragung fort. Nach einer Stunde waren sie den Moment, in dem der Pfleger die Tür zur Pathologie aufgeschlossen und das Opfer entdeckt hatte, mehrfach durchgegangen. Bis auf kleine Anmerkungen und Ergänzungen blieb Sascha Böhme stets bei seiner ersten Darstellung. Steenhoff bat den Pfleger, noch am selben Tag ins Präsidium zu fahren und dort eine Speichelprobe und seine Fingerabdrücke abzugeben. Entsetzt schaute der junge Mann den Beamten an.
«Wir müssen doch Ihre Spuren von denen des gesuchten Täters unterscheiden können», beschwichtigte ihn Steenhoff.
«Und die Leiche haben Sie auf keinen Fall angefasst?», hakte er noch beiläufig beim Hinausgehen nach.
«Nee, der Anblick war so grässlich, dass ich sofort rausgerannt bin», antwortete der Pfleger.
‹In zwei Tagen werden wir wissen, ob du die Wahrheit sagst›, dachte Steenhoff. Er verabschiedete sich von dem Mann und machte sich auf den Weg in die Intensivstation. Dort traf er überraschend auf Petersen.
Die Neue war in ein Gespräch mit einem Arzt vertieft und machte sich im Stehen auf einem Block Notizen. Steenhoff spürte eine leichte Verärgerung in sich aufsteigen. Übereifrige Anfänger konnte er genauso wenig ausstehen wie alte Routiniers, die scheinbar nichts mehr erstaunen konnte und die gelangweilt jedes neue Delikt in eine Schublade packten.
Als Steenhoff sich gerade von hinten seiner Kollegin näherte, hörte er noch, wie diese mit ihrer dunklen Stimme sagte: «Das müssen Sie bitte nachher genau so meinem Kollegen Herrn Steenhoff erzählen.» Im selben Moment hatte sie ihn schon bemerkt.
«Herr Steenhoff, das ist der Stationsarzt, der Birgit Lange behandelt hat.» Da Steenhoff nicht sofort zu begreifen schien, fügte Petersen hinzu: «Die Tote aus der Pathologie.»
«Ja richtig», überspielte Steenhoff seine Verlegenheit. Tausend Gedanken und Fragen waren ihm seit der Ankunft im Krankenhaus durch den Kopf geschossen. Dabei hatte er völlig vergessen zu fragen, wie das Opfer eigentlich hieß.
«Birgit Lange ist 20 Jahre alt geworden, studierte an der Uni Bremen Wirtschaftssprachen und wurde vor fünf Tagen mit schwersten Kopfverletzungen eingeliefert», referierte Petersen.
«Nach Wissen der Ärzte ist sie am Montagmorgen mit ihrem Polo auf einer Kreuzung im Stadtteil Schwachhausen mit einem Mercedes so schwer zusammengeprallt, dass die Feuerwehr sie aus dem Autowrack schneiden musste. Bis zu ihrem Tod vor drei Tagen ist sie nicht mehr zu sich gekommen. Außer ihrem Freund Sven hat sie niemand auf der Station besucht. Sven hatte gegenüber den Ärzten geäußert, dass sie noch nicht viele Freunde in Bremen hatte. Sie stammt aus Oldenburg, wo auch ihre Eltern leben. Doch die befinden sich gerade auf einer Auslandsreise in den USA und sind nicht aufzutreiben.»
Steenhoff hatte den Ausführungen seiner Kollegin schweigend zugehört. Die präzise, schnörkellose Art der Berichterstattung gefiel ihm. Trotzdem war er immer noch über ihre Eigenmächtigkeit verstimmt.
«Wer ist Sven?», wollte er von Petersen wissen. Erstaunt sah ihn die Frau an.
«Wie ich bereits sagte: Sven ist ihr Freund.»
«Gibt es einen Nachnamen, eine Adresse oder eine Handynummer von ihm?», fragte Steenhoff den Arzt.
«Ich glaube, eine der Schwestern hat seine Nummer notiert. Aber bedauerlicherweise hatte sie dabei einen Zahlendreher drin. Die Nummer ist falsch, und wir konnten ihn noch nicht benachrichtigen. Aber er war an dem Abend bei ihr, als sie starb», sagte der Arzt. Seine Stimme klang, als zöge er selber so etwas wie Trost aus der Tatsache, dass die 20 -Jährige am Ende ihres kurzen Lebens nicht allein war.
Steenhoff ließ sich noch eine kurze Beschreibung von dem Freund geben, notierte sich den Namen des Arztes und nahm sich vor, die Verkehrsabteilung wegen des Unfalls anzurufen. Außerdem müssten sie noch die Schwester befragen, die heute freihatte und offenbar nicht in der Lage gewesen war, eine Telefonnummer richtig zu notieren.
«Und was machen die Einbruchspuren an den Fenstern zur Pathologie?»
Er war sich bewusst, dass seine Stimme etwas schroff klang.
«Da ist nichts. Durch die Fenster ist der Täter nicht reingekommen», sagte Petersen mit fester Stimme.
«Warum sind Sie sich da so sicher?», fragte Steenhoff und sah sie prüfend an.
«Ich bin mir sicher, weil ich seit Oktober bei der Kripo
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