Gedankenmörder (German Edition)
Rote Grütze mit der leckeren Vanillesoße bedauernd stehen und ging. Noch während beide die Treppen zum Dachgeschoss hinaufstiegen, platzte es aus Wessel heraus: «Frank, wir waren nicht die Ersten, die bei Birgit Lange waren. Jemand ist bei ihr eingebrochen.»
9
In Steenhoffs Büro warteten schon Petersen und Block. «Rüttger ist auf dem Weg hierher», wandte sich Petersen ohne Gruß an Steenhoff.
Seine Kollegen wirkten angespannt. Keiner sagte etwas. Drei Minuten später war Rüttger endlich da, und Wessel übernahm die Berichterstattung.
«Also, Birgit Lange wohnte in der Nähe der Universität, im hinteren Schwachhausen in einer Zweizimmerwohnung. Zur Miete. Die Tür war nicht verschlossen, sondern nur zugezogen. Das Türblech war beschädigt. Wir hatten erst noch überlegt, einen Kollegen von der Tatortgruppe hinzuzuziehen, sind dann aber doch gleich selber mit Handschuhen rein. Aber jemand war ganz offensichtlich schneller als wir.»
«Ein Einbrecher?», unterbrach ihn Steenhoff.
Wessel schüttelte den Kopf. «Unwahrscheinlich. Die Schränke waren zwar alle durchwühlt, aber an die Wertsachen ist er nicht rangegangen. Der Schmuck war unberührt. Und etwas Bargeld lag noch in einem Sparbuch in einer Schublade in der Küche.»
Fragend sah Steenhoff seine Kollegen an.
«Dafür hat es sich der Kerl in ihrem Bett bequem gemacht und anscheinend auch Gefallen daran gefunden, in ihrer Unterwäsche zu wühlen.»
«Wieso schließt ihr aus, dass es Birgit Lange war, die ein ungemachtes Bett hinterlassen und ihre Slips auf den Boden geworfen hat?», wollte Steenhoff wissen. Er musste an seine Tochter Marie denken und an Iras Kampf, sich einen Weg durch ihr chaotisches Zimmer zu bahnen.
«Das Badezimmer und die Küche waren tipptopp aufgeräumt. Zwischen ihrem chaotischen Schlafzimmer und dem Rest der Wohnung lagen Welten. Das passt einfach nicht», sagte Wessel entschieden.
«Außerdem stand ein großes gerahmtes Foto auf einer Holzkommode», schaltete sich nun auch Petersen ein. «Die eine Hälfte konnten wir noch finden. Das Bild zeigt einen jungen Mann, etwa im selben Alter wie Birgit Lange. Die zweite Person fehlt. Es war nur noch eine Frauenhand mit einem Armreif zu sehen. Die Hand lag auf dem Oberschenkel des jungen Mannes. Wir haben die Fotoalben, die in einem Regal standen, kurz gesichtet. Der Armreif gehörte Birgit Lange. Sie war es, die auf der anderen Hälfte des Fotos abgebildet war. Der junge Mann könnte ein früherer Freund von ihr gewesen sein. Er taucht jedenfalls in den letzten beiden Fotoalben nicht mehr auf.»
«Wir werden ihre Eltern zu dem Mann auf dem Foto befragen müssen», sagte Fabian Block.
Steenhoff nickte. Er fürchtete schon den Moment, in dem er der Mutter und dem Vater der Toten würde gegenübertreten müssen. Die Trauer der fassungslosen Angehörigen belastete ihn mehr als die Obduktionen der Opfer oder die grausamen Einzelheiten eines Verbrechens.
Er zwang sich, erst einmal an das Naheliegende zu denken. Noch waren die Eltern nicht in den USA gefunden worden. «Hatte Birgit Lange eigentlich einen Anrufbeantworter?», kam Steenhoff plötzlich ein Gedanke in den Sinn.
Seine Kollegen nickten. Diesmal ergriff Petersen als Erste das Wort.
«Zwei junge Frauen haben auf den AB gesprochen. Sie wunderten sich, warum Birgit Lange nicht zu einem vereinbarten gemeinsamen Termin bei einem Professor an der Uni erschienen war. Außerdem ein junger Mann, der fragte, ob es bei ihrem Theaterbesuch bleiben würde.»
«Hat er seinen Namen genannt?», fragte Steenhoff.
Petersen nickte. «Christian. Er scheint auch in ihrem Handy gespeichert zu sein.»
«Okay, die Kontaktpersonen müssen wir überprüfen», sagte Steenhoff und machte sich eine Notiz. An der einzigen freien Wand, an der noch keine
Herbstmeer-
Variante hing, wollte er abends seine große Pinnwand aufhängen. Auf ihr notierte er sich die einzelnen Stränge, offene Fragen und Hypothesen eines Falles. Ohne diese simple Gedächtnisstütze, das wusste er, ging einem schnell ein guter Gedanke verloren. Steenhoff schaute in die Gesichter seiner Kollegen. «Was denkt ihr über unseren Einbrecher?»
Einen Moment schwiegen alle.
«Er ist krank», sagte Petersen. Unsicher schaute sie sich in der Runde ihrer neuen Kollegen um. «Ich denke, der Einbrecher ist derselbe, der die Frau geschändet hat. Danach oder vielleicht sogar noch, während sie auf der Intensivstation um ihr Leben ringt, bricht er bei ihr ein, wühlt sich durch
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