Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
Vom Netzwerk:
dass ihr Vater jemals abwusch, Staub saugte oder das Bett machte. Hatte er, lange bevor die Kinder kamen, einfach aufgegeben?
    »Das wäre toll«, sagte sie und legte beiden Mädchen einen Arm um die schmalen Schultern. »Danke!«
    Die Mädchen jagten zum Anleger hinunter. Behände und ohne jede Angst auszurutschen hüpften sie über die Felsen. In der Sonne sahen sie wie Feen aus. Sie lachten, sprangen auf die Holzplanken, und ihr Gepolter und Gelächter hallte übers Wasser. Kate drehte sich zum Haus um. Birdie stand auf der Veranda und schirmte die Augen ab. Kate konnte nicht erkennen, ob sie lächelte oder die Stirn runzelte.
    »Hier spricht Birdie Burke. Ihre Nachbarin«, sagte sie. Birdie saß am Schreibtisch in ihrem Schlafzimmer. Aus der Ferne klangen die glockenhellen Stimmen von Chelsea und Lulu herüber. Kate war im Gästehaus und packte die Koffer aus.
    »Oh, hallo«, sagte er. »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja«, sagte Birdie und umklammerte den Hörer noch fester. »Wie haben Sie den Sturm überstanden?«
    Das Geheul und der prasselnde Regen hatten Birdie fast die ganze Nacht lang wach gehalten. Natürlich lag es nicht allein am Wetter, dass sie sich bis zum Morgengrauen ruhelos im Bett herumwälzte. Sie dachte über den Eindringling, die alte Fotografie und die Ankunft von Kate nach. Birdie kam nie zur Ruhe. Wenn sie einmal zu grübeln anfing, fand sie kein Ende mehr. Dazu kam der Ischias. Der stechende Rückenschmerz, der sich bis ins Bein zog, raubte ihr den Atem. Fast so schlimm wie Geburtswehen. Sie hatte nur Tylenol da, aber damit konnte Birdie den Schmerz nicht in Schach halten.
    Trotz des Gewitters und der Schmerzen war sie gegen drei Uhr eingeschlafen. Der Morgen war klar und kühl gewesen. Der Wind hatte die Gebäude nicht beschädigt, nur Blätter und Äste von den Bäumen gefegt. Auch der Schmerz war inzwischen verflogen.
    »Ganz gut«, sagte John, »keine größeren Schäden. Und bei Ihnen?«
    »Hier ist alles in Ordnung«, sagte sie. »Ich wollte mich nur noch einmal für Ihre Hilfe gestern bedanken. Das Ganze ist mir ein bisschen peinlich.«
    »Dafür sind Nachbarn da«, sagte John. Er klang abgelenkt. Birdie hatte gedacht, er sei redseliger. Bei früheren Begegnungen war er ihr eher geschwätzig vorgekommen.
    »Da ist noch etwas«, sagte sie, unterbrach sich aber sofort wieder. Auf einmal kam sie sich albern vor. Das Schweigen in der Leitung war unangenehm.
    »Ich habe gesehen, dass Sie mit Ihrer Familie zurückgekommen sind«, sagte er plötzlich.
    »Ja«, antwortete Birdie. Eigentlich wollte sie ihn darüber aufklären, dass Lulu nicht zur Familie gehörte, ließ es aber bleiben.
    »Haben Sie Lust, später auf einen Cocktail vorbeizukommen? So gegen fünf?«
    Birdie akzeptierte die Einladung widerwillig. Am besten, man hatte mit den Nachbarn nichts zu tun. Außerdem vermisste sie Joe, der ein begnadeter Smalltalker war und immer für gute Stimmung sorgte, besonders wenn er etwas getrunken hatte.
    »Ich wollte Sie noch etwas fragen. Es geht um Ihre Insel«, sagte sie.
    »Wirklich?«
    »Um die Geschichte. Die früheren Besitzer.«
    »Oh«, sagte John, und dann sagte er nichts mehr. Birdie plapperte drauflos, damit nicht wieder ein peinliches Schweigen entstand.
    »Es ist eine Art Hobby von mir«, sagte sie, »die Geschichte der Inseln zusammenzutragen.«
    Im Grunde genommen stimmte das sogar. Birdie hatte sich ein beeindruckendes Wissen über die Inseln angeeignet. Aber die kleine Nachbarinsel, die früher angeblich unbewohnt gewesen war, hatte ihre Neugier nie geweckt. Oder hatte sie das Thema unbewusst gemieden?
    Wieder Schweigen.
    »John?«
    »Seltsam, dass Sie fragen«, sagte er schließlich. »Ich habe nämlich ganz ähnliche Nachforschungen angestellt und eine ganze Menge herausgefunden.« Birdie wollte mehr hören, aber er sagte nur: »Ich freue mich, Ihnen später davon zu berichten.«
    Sie hätte am liebsten nachgehakt, wollte jedoch nicht aufdringlich erscheinen. Sie tat alles, um bei anderen nicht den Eindruck zu erwecken, sie brauche oder wolle etwas von ihnen.
    »Schön«, sagte sie, »dann sehen wir uns um fünf.«
    Sie verließ das Schlafzimmer. Kate stand in der Küche, die zum großen Wohnzimmer hin offen war. Die bodentiefen Fenster zu beiden Seiten boten einen weiten Ausblick. Die grünen Baumkronen, der blaue Himmel, die grauen Felsen strahlten eine erfrischende, beruhigende Schönheit aus.
    »Tee?«, fragte Kate.
    »Gern«, antwortete sie. Birdie setzte sich aufs Sofa

Weitere Kostenlose Bücher