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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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oder?«
    Emily fand den Gedankengang logisch, aber Dean sah sie skeptisch an. Was wusste sie schon über Autodiebstahl? Über die Ermittlungsmethoden der Polizei?
    Im Radio hatten sie gehört, dass die Polizei immer noch nicht wusste, wer das Blue Hen überfallen, den jungen Angestellten erschossen und die Besitzerin schwer verletzt hatte. Die Sicherheitskameras hatten Bilder von zwei Maskierten aufgenommen, die durch den Hintereingang eingedrungen waren und eine junge Frau aus dem Lokal verschleppt hatten. Man hielt sie für eine Geisel. Offenbar war Carol noch nicht aus dem Koma aufgewacht, um die Ermittler aufzuklären. Und Angelo würde sich nie wieder äußern.
    Dean fuhr weiter. Nach dem Zwischenfall im Motel war er lammfromm, aber langsam kehrte seine nervöse, gereizte Art zurück. Beim Fahren kaute er gnadenlos an seinem Daumennagel herum.
    »Wie weit noch?«, fragte er.
    Emily warf einen Blick auf das Navigationsgerät am Armaturenbrett, eines von Deans seltsamen Geschenken. Sie wusste nicht, woher er es hatte, aber es war originalverpackt gewesen. Sie hatte es ins Auto gelegt, vielleicht brauchten sie es noch eines Tages. Jetzt erwies das Gerät sich als praktisch.
    »Nicht mehr weit«, antwortete sie.
    Jahrelang hatte sie allen gegenüber behauptet, ihr Vater sei tot. Er sei bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als sie noch klein war. Sie könne sich nicht mehr an ihn erinnern. Besonders ältere Leute zeigten sich tief betroffen. Emily heimste jede Menge Aufmerksamkeit und Mitleid ein, was sie sehr genoss. In Wahrheit hatte ihre Mutter sich auf eine Affäre mit einem verheirateten Mann eingelassen. Und herausgekommen war Emily. Als seine Frau von dem Verhältnis erfuhr, war die Hölle los. Um seine Ehe zu retten, hatte er versprochen, Emily und ihre Mutter nie wiederzusehen. Er hatte sich an sein Versprechen gehalten. Diese Geschichte hatte Emily anhand der bruchstückhaften Informationen ihrer Mutter rekonstruiert. Manchmal hatte sie ihre Mutter und ihre Tante belauscht. Sie trug, anders als ihre Mutter, seinen Nachnamen.
    Mit dreizehn hatte sie im Schlafzimmer ihrer Mutter einen Scheck über fünfhundert Dollar gefunden. Oben waren sein Name und seine Adresse eingetragen. Da hatte sie endlich den Beweis, schwarz auf weiß. Er war echt, ein echter Mensch mit einem Bankkonto. Sie hatte ihn sich immer als unerreichbar vorgestellt. Nie hätte sie gedacht, dass er ganz in der Nähe ein normales Leben führte.
    Sie wollte den Kopf eben an die Seitenscheibe sinken lassen, als sie plötzlich Benzin und Rauch roch. Das war schon einmal passiert. Sekunden später fing der Motor zu stottern an, nur um ganz zu verstummen.
    »Scheiße!«, schrie Dean. »So ein Mist!«
    Er lenkte das Auto an den Straßenrand, wo es langsam ausrollte. Dean drehte noch ein paar Mal den Zündschlüssel um, woraufhin der Motor ein unangenehm scharrendes Geräusch von sich gab. Er machte von innen die Motorhaube auf, und Emily sah eine dicke schwarze Qualmwolke. Hustend sprangen sie aus dem Auto. Dean bedeckte seinen Mund und beugte sich fluchend über den Motor. Keiner von beiden kannte sich mit Autos aus, aber anscheinend hatte er das vergessen.
    Nachdem er eine Zeitlang ratlos in den Motorraum gestarrt hatte, wandte Dean sich hustend ab. Es war schon dunkel, einzig die einsame Laterne am Ende der Straße spendete etwas Licht. Ringsum nur Bäume. Ein Stück weiter markierte ein windschiefer Briefkasten eine private Auffahrt.
    »Und jetzt?«, fragte Dean. Seine Stimme hallte durch die abendliche Stille. Ein Rascheln ging durch die Büsche. Emily rechnete damit, dass er wütend wurde und sie beschimpfte, so wie immer, wenn etwas schieflief. Sie machte sich auf eine Tirade gefasst, aber als sie ihn ansah, merkte sie, dass er genauso verzweifelt und ratlos war wie sie.
    »Vielleicht ist das ein Zeichen. Wir sind am Ende. Wir sollten uns stellen«, sagte sie, ohne zu überlegen. Die Worte sprudelten einfach so aus ihr heraus.
    »Nein«, sagte er leise, »das kann ich nicht.«
    Er ließ sich ins Gras am Straßenrand sinken und stützte den Kopf in die Hände. Emily setzte sich neben ihn und lehnte sich an. Sie würden es nicht bis ans Ziel schaffen. Wie alles in ihrem Leben rückte es in unerreichbare Ferne. Es war Deans Idee gewesen, sich dort den Winter über zu verstecken. Der Gedanke, eine Zeitlang mit Dean an diesem Ort zu leben, hatte sie mit einem unbeschreiblichen Glücksgefühl erfüllt. Dort war die Welt noch in Ordnung, und

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