Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
harren
    Und auf das flücht'ge Schiff noch lang
    Sehnsücht'gen Auges starren –
    So blickt vom Turm jetzt in den Wald
    Auf Heinrichs schwindende Gestalt
    Die schöne Rosamunde.
     
    Er aber gleicht dem Schiffer gut,
    Dem nichts das Auge feuchtet,
    Solang' ihm noch durch Sturm und Flut
    Des Liebchens Fenster leuchtet.
    Nun aber wird's ihm bang fürwahr:
    Noch einmal blitzt ihr goldnes Haar,
    Es blitzt – und ist verschwunden.
     
    Doch Waldesduft und Morgenschein
    Sind keine Grillenfänger,
    Und auch des Königs Traurigsein,
    Sie dulden es nicht länger.
    Tautropfen glänzen hier und dort,
    Die Sonne sieht's und küßt sie fort –
    Sie will heut keine Tränen.
     
    Die Lerchen flattern her und hin,
    Und Heinrich hört sie singen:
    »Nur frischer Mut und froher Sinn
    Darf in den Himmel dringen.«
    Des Waldes Tauben girren laut:
    »Ein Herz, das liebt und Gott vertraut,
    Lacht wie die Maiensonne.«
     
    Da denkt der König: ›Sei gescheit
    Und laß all trübes Sinnen!
    Der Trennung Zeit ist böse Zeit,
    Doch wird sie drum verrinnen.
    Traun, wer nicht will von dannen gehn,
    Der bringt sich selbst ums Wiedersehn –
    All Leid hat seine Freude.‹
     
    Er denkt's; und als an Wald und Sumpf
    Er jetzt vorübertrottet,
    Da wähnt er wohl mit Stiel und Stumpf
    Die Sorgen ausgerottet;
    Manch Lied ihm aus der Kehle schallt –
    Bis nun durch Londons Gassen hallt
    Der Hufschlag seines Schecken.
     
    Schon kauern rings die Häuser, dicht
    Gehüllt in nächt'ges Dunkel,
    Nur hier und dorten glüht ein Licht,
    Wie bösen Aug's Gefunkel.
    Das finstre Bild der Königin
    Tritt da vor Heinrichs Seele hin
    Und löscht die heitren Bilder.
     
    Und alsobald durchklirrt sein Schritt
    Des Towers Hof und Tore,
    Und aus der Hall' entgegen tritt
    Sein Weib ihm, Leonore.
    Sie spricht und blickt ihn tückisch an:
    »Willkomm, willkomm, Herr Jägersmann,
    Nach manchem Tag willkommen!
     
    Ich wett', du hast wie Ritter Jürg
    Lindwurm und Molch getötet,
    Zehn Meilen Forst, des bin ich Bürg',
    Hast du mit Blut gerötet;
    Wie, oder hätt' im Woodstock-Gau
    Waldfräulein dich und Heidefrau
    Bis diesen Tag bewirtet?«
     
    Der König drauf: »Waldfräulein frisch,
    Wohl hab' ich das gefunden,
    Und Speis' und Trank von ihrem Tisch,
    Die machten mich gesunden;
    Doch frägst du nach dem Heideweib?
    Ihr glühes Aug', ihr welker Leib
    Ist andren Orts zu finden.«
     
    Der König spricht's, ein leiser Spott
    Fliegt über seine Züge;
    Dann ruft er stolz: »Verhüt' es Gott,
    Daß ich dich feig belüge!
    Ich schulde dir nicht Treu' noch Dank:
    Waldfräulein blond, Waldfräulein schlank
    Ist Cliffords schöne Tochter.«
     
    Er spricht's, und als in Haß und Zorn
    Jetzt ihre Augen blitzen,
    Da ruft er laut: »Es soll kein Dorn
    Je ungestraft sie ritzen!
    Dein Blick ist Dolch, dein Wort ist Gift –
    Und wenn des Himmels Blitz sie trifft,
    Du stirbst, denn du bist schuldig!«
     
    Der König spricht's; er tritt heran
    Zu hohen Fensters Nische
    Und zieht in langen Zügen dann
    Die Nachtluft ein, die frische;
    Sein Aug' ist trüb, sein Herz ist fern –
    Hernieder blickt der Abendstern,
    Wie Rosamundens Auge.
Sechstes Kapitel

Wie König Heinrich gen Frankreich zieht und was weiter geschah
     
    Und Heinrich, sieben Tage lang
    Hält's ihn in Londons Mauern;
    Wohl mocht' ihm jeder Stunde Gang
    Wie Lauf des Jahres dauern;
    Nun aber hält's ihn länger nicht,
    Und schüttelnd ab all Last und Pflicht,
    Fliegt er zu Lohn und Liebe.
     
    Daheim sein Thron und Herrscheramt
    Ward Kerker ihm und Frone:
    Nur hier, wo Seel' in Seele flammt,
    Trägt Zepter er und Krone.
    Hier
ist er reich,
dort
ist er arm –
    Ein einzig Herze, treu und warm,
    Ist mehr als Erd' und Himmel.
     
    So flieht die Zeit. Des Herbstes Näh'
    Färbt kaum die Bäume gelber,
    Da kommt in seinem Kleid von Schnee
    Auch schon der Winter selber;
    Doch immerdar, wie Sturm auch tost,
    Des Königs Ziel, des Königs Trost
    Bleibt Woodstock allerwegen.
     
    Und Frühling wird's: Schneeglöckchen nickt
    Mit freundlicher Gebärde,
    Das schüchtern stille Veilchen blickt
    Blauäugig aus der Erde;
    Und wie so drauß es grünt und blüht,
    Da immer festre Kreise zieht
    Schloß Woodstock um den König.
     
    Heut aber trug ihn heim sein Roß,
    Schon hält's im Tower stampfend,
    Da sprengt ein Ritter durch das Schloß,
    Vom langen Ritte dampfend;
    Noch hemmt er kaum des Renners Lauf,
    Da klingt es schon: »Auf, König, auf!
    In Frankreich loht Empörung.«
     
    Der König hört's; sein Streitroß wild
    Besteigt

Weitere Kostenlose Bücher