Gedichte (Ausgabe 1898)
singest!
Wer gab dir nur die freche Stirn,
Daß du der buhlerischen Dirn'
Vor Unsrem Ohr gedenkest!«
Und Rachepläne röten jetzt
Die Stirne ihr, die blasse,
All, was sie sinnt, ist wie gewetzt
An eifersücht'gem Hasse.
Scharf stechend fällt in ihren Saal
Die Sonne; jeden einzlen Strahl
Möcht' sie zum Stoße zücken!
»Doch nein, es fall' kein Tropfen Blut,
Kein nutzlos Blutvergeuden,
Sie lebe, lebe wohlgemut
All ihren süßen Freuden;
Doch nimmt sie je das Abendmahl,
Gedrückt von ihrer Sünden Zahl,
Mein
Priester soll's ihr reichen.«
Sie spricht's und schlingt in stiller Lust
Die Fäden ohne Säumen,
Dieweil in Woodstock, Brust an Brust,
Noch ihre Opfer träumen:
Dort Frühling noch und Sonnenlicht,
Hier aber türmen hoch und dicht
Sich schon die Wetterwolken.
Viertes Kapitel
König Heinrich und Rosamunde in Woodstock
Schloß Woodstock ist ein alter Bau
Aus König Alfreds Tagen,
Man sieht es weithin stolz und grau
Die Tannen überragen;
Zu Füßen ihm ein Garten liegt,
Wie wohl ein blühend Kind umschmiegt
Das Knie des Ältervaters.
Der Garten ist an Blumen reich,
An Quellen und an Bronnen,
Und auf dem Rasen, teppichgleich,
Tanzt gern das Licht der Sonnen;
Doch finster an des Gartens Saum
Drängt sich urplötzlich Baum an Baum
Zu mächt'gem Forst zusammen.
In seine Tiefen glückt es nicht
Der Sonn' ihr Licht zu senden,
Nur knisternd durch die Zweige bricht
Der Hirsch von sechzehn Enden;
Scheu folgt das Elen seiner Bahn,
Und kreischend lockt der Auerhahn
Herab vom Tannengipfel.
Am Waldrand, in des Gartens Näh',
Ist eine offne Stelle:
Es glitzert dort, halb Teich, halb See,
Im Sonnenstrahl die Welle;
Viel Erlen stehn am Uferrand,
Und wo die Quelle küßt den Sand,
Da sprießen blaue Blumen.
Und hier im duft'gen Wiesengrund,
Wo Wald und See sich grüßen,
Da sitzt die schöne Rosamund
Zu König Heinrichs Füßen:
Es ruht ihr Haupt auf seinem Schoß,
Und ihre Augen, blau und groß,
Schaun lächelnd in die seinen.
Ein frischer Bronnen ist ihr Mund,
Und Heinrichs Lippen senken,
Wie Krüge, tief sich auf den Grund,
Um so sein Herz zu tränken;
Doch wie solch Trunk ihn auch erquickt,
Aus seinen Augen finster blickt
Von Zeit zu Zeit die Seele.
Das junge Weib, es bangt und blaßt
Vor seines Auges Schatten,
Und sieh', ihr eignes Herz erfaßt
Der Trübsinn nun des Gatten;
Sie weint und ruft in bittrem Harm:
»Ist auch die Liebe selbst zu arm,
Ein
ganzes
Glück zu schaffen!
Was soll nur, Heinrich – spricht sie fort –
Der Ernst in deinen Zügen?
Sag', will mein schlichtes Liebeswort
Dir fürder nicht genügen?
Ach, als ich dir mein Herze gab,
Gab ich dir all mein Gut und Hab –
Ich hab' nichts mehr zu geben.«
Sie spricht's, und sieh, ein Tropfen warm
Rollt über Heinrichs Wange:
Er preßt sie fester in den Arm
Und küßt sie heiß und lange;
Dann spricht er: »Was mir raubt die Ruh,
Du reines Herz, das bist nicht
du
,
Das ist mein bös Gewissen.«
Er legt sie auf den Blumenplan,
Und kniend vor der Armen
Ruft er: »Was ich dir angetan,
Des woll' sich Gott erbarmen!
Ich, der gefreit um deine Hand,
Bin König über Engelland
Und Leonorens Gatte.«
Da flieht die letzte Rose scheu
Von Rosamundens Wangen,
Der König aber hält aufs neu
Voll Inbrunst sie umfangen;
Laut ruft er: »So du kannst, vergib,
Und sei mein Leben, sei mein Lieb,
So treu, wie ich dich liebe!«
Wohl durch die Tränen leuchtet da
Ihr Auge wie die Sonne:
Was immer sei, er liebt sie ja,
Und das allein ist Wonne.
Sie spricht: »Dein bin ich alle Zeit,
Und kostet's meine Seligkeit,
Es soll kein Tod uns trennen!«
Da heben ringsum alsobald
Die Vöglein an zu singen,
Es will das Rauschen in dem Wald
Wie Orgelton erklingen.
Der König still sein Liebchen preßt,
Und seiner Seele Hochzeitsfest
Hat nur der Wald vernommen.
Fünftes Kapitel
Wie König Heinrich gen London zieht
Noch blitzt die Sonne kaum ins Tal,
Auf Woodstocks Turm und Tannen,
Da zieht im ersten Morgenstrahl
Der König schon von dannen;
Ihn grüßend von des Söllers Rand
In weißem, flatterndem Gewand
Steht Cliffords schöne Tochter.
Wie Marmor leuchtet in die Au
Ihr Nacken, der entblößte,
Mit Perlen schmückt der Morgentau
Ihr Haar, das aufgelöste.
Sie blickt herab, er blickt hinauf,
Und jeder möcht' in heißem Lauf
Dem eignen Blicke folgen.
Wie ausgesetzte Schiffer bang
Am Felsenufer
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