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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Landeskinder,
    Immer derselbe Menschenschinder,
    Immer dieselbe verfluchte Ravage –
    Potsdam, o du große Blamage!«
     
    Das war dem Berliner nach seinem Sinn,
    Er lächelte pfiffig vor sich hin:
    »Ich sag' das schon lange. Was hat er denn groß?
    Große Fenstern hat er, sonst is nich viel los.
    Und reden kann er. Na, das kann jeder,
    Hier
aber, er zieht nicht gerne von Leder.«
     
    Da lachten all' vier, und der eine spricht:
    »Ne, Freund Budiker,
so
geht es nicht.
    Zuhören kannst du, wenn wir mal fluchen,
    Aber du darfst es nicht selber versuchen,
    Wir dürfen frech sein und schimpfen und schwören,
    Weil wir selber mit zugehören,
    Wir dürfen reden von Menschenschinder,
    Dafür sind wir seine Kinder;
    Potsdam, o du verfluchtes Loch,
    Aber
Er
, er ist unser König
doch
,
    Unser großer König. Gott soll mich verderben,
    Wollt' ich nicht gleich für Fritzen sterben.«
     
     

Prinz Louis Ferdinand
     
    Sechs Fuß hoch aufgeschossen,
    Ein Kriegsgott anzuschaun,
    Der Liebling der Genossen,
    Der Abgott schöner Fraun,
    Blauäugig, blond, verwegen
    Und in der jungen Hand
    Den alten Preußendegen –
    Prinz Louis Ferdinand.
     
    Die Generalitäten
    Kopfschütteln früh und spät,
    Sie räuspern sich und treten
    Vor Seine Majestät,
    Sie sprechen: »Nicht zu dulden
    Ist dieser Lebenslauf,
    Die Mädchen und die Schulden
    Zehren den Prinzen auf.«
     
    Der König drauf mit Lachen:
    »Dank' schön, ich wußt' es schon;
    Es gilt ihn kirr zu machen,
    Drum: Festungsgarnison;
    Er muß in die Provinzen
    Und nicht länger hier verziehn,
    Nach Magdeburg mit dem Prinzen –
    Und
nie
Urlaub nach Berlin.«
     
    Der Prinz vernimmt die Märe,
    Saß eben bei seinem Schatz:
    »Nach Magdeburg, auf Ehre,
    Das ist ein schlimmer Platz!«
    Er meldet sich am Orte,
    Und es spricht der General:
    »Täglich elf Uhr zum Rapporte
    Ein für allemal!«
     
    O Prinz, das will nicht munden,
    Doch denkt er: ›Sei gescheit,
    Volle vierundzwanzig Stunden
    Sind eine hübsche Zeit.
    Relais, viermal verschnaufen,
    Auf dem Sattel Nachtquartier,
    Und kann's
ein
Pferd nicht laufen,
    So laufen's ihrer vier.‹
     
    Hin fliegt er wie die Schwalben,
    Fünf Meilen ist Station,
    Vom Braunen auf den Falben,
    Das ist die Havel schon,
    Vom Rappen auf den Schimmel,
    Nun faßt die Sehnsucht ihn,
    Drei Meilen noch – hilf Himmel,
    Prinz Louis in Berlin.
     
    Gegeben und genommen
    Wird einer Stunde Glück,
    Dann, flugs wie er gekommen,
    Im Fluge geht's zurück,
    Elf Uhr am andern Tage
    Hält er am alten Ort,
    Und mit dem Glockenschlage
    Da steht er zum Rapport. –
     
    Das war nur bloßes Reiten,
    Doch wer so reiten kann,
    Der ist in rechten Zeiten
    Auch wohl der rechte Mann;
    Schon über Tal und Hügel
    Stürmt ostwärts der Koloß –
    Prinz Louis sitzt am Flügel
    Im Rudolstädter Schloß.
     
    Es blitzt der Saal von Kerzen,
    Zwölf Lichter um ihn stehn,
    Nacht ist's in seinem Herzen,
    Und Nacht nur kann er sehn,
    Die Töne schwellen, rauschen,
    Es klingt wie Lieb' und Haß,
    Die Damen stehn und lauschen,
    Und was er spielt, ist
das
:
     
    ›Zu spät zu Kampf und Beten,
    Der Feinde Rosses-Huf
    Wird über Nacht zertreten,
    Was ein Jahrhundert schuf,
    Ich seh' es fallen, enden,
    Und wie alles zusammenbricht –
    Ich kann den Tag nicht wenden,
    Aber
leben
will ich ihn nicht!‹
     
    Und als das Wort verklungen,
    Rollt Donner schon der Schlacht,
    Er hat sich aufgeschwungen,
    Und sein Herze noch einmal lacht,
    Vorauf den andern allen
    Er stolz zusammenbrach,
    Prinz Louis war gefallen,
    Und Preußen fiel – ihm nach.
     
     

Berliner Spottvers
     
    (1812)
     
    Warte
    Bonaparte,
    Warte Kujon,
    Andre Woche, wir kriegen dich schon.
     
    Ja der Russe, ja der Russ'
    Hat uns gezeigt, wie man's machen muß:
    Im ganzen Kremmel
    Nicht eine Semmel,
    Und auf den Hacken
    Immer nur Hunger und Kosaken,
    Ja der Russ'
    Hat uns gezeigt, wie man's machen muß.
     
    Hin ist der Blitz
    Deiner Sonne von Austerlitz,
    Unterm Schnee
    Liegen all deine Corps d'Armee.
    Warte
    Bonaparte,
    Warte Kujon,
    Andre Woche, wir kriegen dich schon.
     
     

Die Fahne Schwerins
     
    Im Arsenal, dem alten,
    Zu Petersburg am Dock,
    Zersplittert und zerspalten
    Steht ein alter Fahnenstock;
    Er steht in seiner Ecken
    An die hundert Jahre nun,
    Mit den andern Fahnenstöcken
    Hat er nichts zu tun.
     
    Der Fahnen jüngste schmunzelt:
    »He, Kamerad im Eck,
    Warum so viel gerunzelt?
    Das bringt uns nicht vom Fleck;
    Nicht ewig stumm und einsam
    Und nicht so steif-apart,
    Gesellig hübsch, gemeinsam,
    Und

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