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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Flügel
    Und wirft den roten Kamm. Ich kenn' die Fahne.
    Das geht nicht länger so. Gewiß, die Deutschen,
    Sie taugen auch nicht viel, die lieben Schlingel,
    Sind Besserwisser, knurrn und querulieren
    Und schreiben Bücher, drin sie mir beweisen:
    Es sei nicht viel mit mir; im letzten Grunde
    Bestünd' ich nur durch Kompromiß und Gnade.
    Das predigen sie von Tischen und von Bänken
    Und fühlen sich in ihrem Tabakshimmel
    Als Ober-Gott, und wird es dann gemütlich,
    So rufen sie mir zu: ›Ich komm' dir einen!‹
    Ich kenne sie, sie haben was Kneipantes,
    Was Buntbemütztes, rüplig Burschikoses,
    Sind kindisch, eitel, unbequem-gefühlvoll
    Und vieles andre noch, ich weiß, ich weiß es,
    Und doch, wenn eins zum andern ich erwäge,
    So sind sie schließlich immer noch die besten,
    Die besten und natürlichsten vor allem,
    Am meisten frei von Babel und von Sodom.
    Sie dauern mich. Längst quält mich der Gedanke,
    Wie schaff' ich ihnen Zuspruch, Beistand, Hilfe!
    Vielleicht, daß mir im Gehn und Meditieren
    Ein Ausweg kommt, ein guter Plan, ein Einfall.«
     
    Und solches denkend nahm er Hut und Mantel
    Und seinen Stab und schritt hinaus ins Freie.
     
    Der Weg war weit, die Straßenflucht ohn' Ende,
    Doch endlich kamen Gärten, Park und Wiese
    Mit Silberbächen und mit Birkenbrücken,
    Und jenseits dieser Wiese, hoch gelegen,
    Erhob ein ältrer Stadtteil sich, halb Ghetto,
    Halb Kapitol, ein bunt Gemisch von Hütten
    Und Tempeln und Palästen. Die Paläste
    Höchst vornehm, alles Porphyr, alles Marmor,
    Und doch mit Holz verschlagen und vergittert,
    Als wären's Kerker.
    Und es waren Kerker.
    Denn hinter diesen Gitterstäben saßen
    »Im Altenteil«, so hieß es euphemistisch,
    Die guten, alten, abgesetzten Götter:
    Neptun und Pluto, Mars (nur Bacchus fehlte),
    Merkur, Apoll, Vulkan. Und endlich
Zeus
auch.
     
    Und sieh, an Zeus (er wohnte sichtlich freier
    Und ward auf Wort und Handschlag hin behandelt),
    An Zeus trat jetzt sein Ober-Herr und sagte:
    »Grüß' Gott dich, Alter. Bringe frohe Botschaft.
    Ich hoff' es wenigstens. Wer so wie du
    'ne hübsche Weil' geherrscht, herrscht gern auch wieder,
    Still sitzen ist ein Greul. Ich lieb' es auch nicht.
     
    So höre denn: ich habe was in petto,
    Pack deine Koffer, nimm dein Inventar
    (Spezialmission auf unbestimmte Dauer),
    Nimm Adler, Bündelblitze, Ganymed auch,
    Und zieh hernieder in mein altes Deutschland,
    An einen Ort, den
Spree-Athen
sie nennen.
    Zum Unterschiede, du verstehst. Du find'st dort
    Bildwerke viel auf Straßen und auf Plätzen,
    Athene nicht, auch Venus nicht von Milo,
    Doch Blücher, York, Schwerin und Keith und Scharnhorst,
    Den alten Zieten und den alten Fritzen,
    Den letztern, denk' ich, kennst du –'s ist derselbe,
    Der hier am Himmel glänzt als
»Friedrichs Ehre«.
    Nach Deutschland also; hier ist die Bestallung.
    Du weißt ja, wie man's macht, räum' auf gebührlich,
    Sieh nach dem Rechten, mehre Macht und Ordnung,
    Wirf alle Feinde nieder, draußen, drinnen,
    Und wenn du das getan hast, komme wieder.
    Dein Schade soll's nicht sein.«
    Und Zeus verneigte
    Sich dankbar ehrfurchtsvoll, und aller Unmut,
    Der wegen unfreiwilliger A.D.-schaft
    Ihn lang' gequält, fiel ab von ihm, es wuchsen
    Ersichtlich ihm die Brau'n zu ganzen Büscheln
    (Nur höh'r hinauf war Hopf' und Malz verloren),
    Und sieh, mit Adler, Blitz und Ganymed auch
    Zog er hinab, um Groß und Kleins zu prüfen:
    Herz, Nieren, Rotwein, Bock und andre Biere.
     
    »Wer kommt denn da?« so lautete der Willkomm,
    Der ziemlich nüchtern ihn empfing, fast feindlich.
    Er aber, seine Vollmacht in der Tasche,
    Verfuhr programmhaft, schüttelte die Brauen,
    Die Jovis-Brauen.
    Ei, das klang wie Donner.
    Und war's nicht Donner, waren es Kanonen.
    Missunde, Düppel. Hurra, weiter, weiter:
    Nußschalen schwimmen auf dem Alsensunde,
    Hin über Lipa stürmen die Geschwader,
    Ein Knäul von Freund und Feind. Da seht ihn selber,
    Der mit dem Helm ist's und dem Schwefelkragen.
    Und Spichern, Wörth und Sedan. Weiter, weiter,
    Und durchs Triumphtor triumphierend führt er
    All Deutschland in das knirschende Paris ...
     
     
Prolog
    (Zur Feier des zweihundertjährigen Bestehens
    der französischen Kolonie 1. November 1885)
     
    Zweihundert Jahre, daß wir hier zu Land
    Ein Obdach fanden, Freistatt für den Glauben
    Und Zuflucht vor Bedrängnis der Gewissen.
    Ein hochgemuter Fürst, so frei wie fromm,
    Empfing uns hier, und wie der Fürst des Landes
    Empfing uns auch sein Volk. Kein Neid ward

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