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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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wach,
    Nicht Eifersucht – man öffnete das Tor uns
    Und hieß als Glaubensbrüder uns willkommen.
    Land
-Fremde waren wir, nicht
Herzens
-Fremde.
    So ward die Freistatt bald zur Heimatsstätte,
    Zur Stätte neuer Lieb', und was seitdem
    Durch Gottes Ratschluß dieses Land erfahren,
    Wir lebten's mit, sein Leid war unser Leid,
    Und was es freute, war auch unsre Freude.
    Wohl pflegten wir das Eigne, der Gemeinde
    Gedeihn und Wachstum blieb uns Herzenssache,
    Doch nie vergaßen wir der Pflicht und Sorge,
    Daß, was nur
Teil
war, auch dem
Ganzen
diene.
    Mit fleiß'ger Hand, in allem wohl erfahren,
    Was älterer Kultur und wärm'rer Sonne
    Daheim entsproß und einem reich'ren Lande –
    So wirkten wir.
    Doch unser Tun zu rühmen,
    Es ist nicht
das
, was diesem Feste ziemt,
    Heut ziemt's uns nur zu huld'gen und zu danken.
     
    Und dieser Dank, was lieh' ihm größ're Kraft
    Und Inbrunst als ein Rückblick auf das Leid,
    Das einst aus unsrer Heimat uns vertrieben?
     
    Erklinge denn, Musik, und führ' herauf,
    Im Widerspiel zu dieser Stunde Glück,
    Uns Bilder aus der Zeit der
Hugenotten
!
     
     
Auf der Treppe von Sanssouci
    7./8. Dezember 1885
     
    (Zu Menzels 70. Geburtstag)
     
    Von Marly kommend und der Friedenskirche,
    Hin am Bassin (es plätscherte kein Springstrahl)
    Stieg ich treppan; die Sterne blinkten, blitzten,
    Und auf den Stufenaufbau der Terrasse
    Warf Baum und Strauchwerk seine dünnen Schatten,
    Durchsichtige, wie Schatten nur von Schatten.
    Rings tiefe Stille, selbst der Wache Schritt
    Blieb lautlos auf dem überreiften Boden,
    Und nur von rechts her, von der Stadt herüber,
    Erscholl das Glockenspiel.
    Nun schwieg auch das,
    Und als mein Auge, das auf kurze Weile
    Dem Ohr gefolgt war, wieder vorwärts blickte,
    Trat aus dem Buschwerk, und ich schrak zusammen,
    Er selbst, im Frackrock, hinter ihm das Windspiel
    (Biche, wenn nicht alles täuschte), dazu Krückstock
    Und Hut und Stern. Bei Gott, es war der König.
     
    Was tun? Ich dacht' an Umkehr; doch sein Auge,
    Das
Fritzen
-Auge bannte mich zur Stelle;
    So hielt ich denn und machte Front.
    »Wie heißt Er?«
    Ich stotterte was hin.
    »Und sein Metier?«
    »Schriftsteller, Majestät. Ich mache Verse!«
     
    Der König lächelte: »Nun hör' Er, Herr,
    Ich will's Ihm glauben; keiner ist der Tor,
    Sich dieses Zeichens ohne Not zu rühmen,
    Dergleichen sagt nur, wer es sagen muß,
    Der Spott ist sicher, zweifelhaft das andre.
    Poète allemand! Ja, ja, Berlin wird Weltstadt.
    Nun aber sag' Er mir, ich les' da täglich
    (Verzeih' Er, aber Federvieh und Borste
    Wohnt auf demselben Hof und hält Gemeinschaft),
    Ich les' da täglich jetzt in den Gazetten
    Von Menzelfest und siebzigstem Geburtstag,
    Ausstellung von Tableaux und von Peintüren
    Und ähnlichem. Ein großer Lärm. Eh bien, Herr,
    Was soll das? Kennt Er Menzel? Wer ist Menzel?«
     
    Und dabei flog ein Zug um seinen Mund,
    Als wiss' er selber Antwort auf die Frage.
     
    »Zu Gnaden Majestät«, begann ich zögernd,
    »Die Frag' ist schwer, das ist ein Doktorthema;
    Mein Wissen reicht bis Pierer nur und Brockhaus.
    Ja, wer ist Menzel? Menzel ist sehr vieles,
    Um nicht zu sagen alles; mind'stens ist er
    Die ganze Arche Noäh, Tier und Menschen:
    Putthühner, Gänse, Papagei'n und Enten,
    Schwerin und Seydlitz, Leopold von Dessau,
    Der alte Zieten, Ammen, Schlosserjungen,
    Kathol'sche Kirchen, italien'sche Plätze,
    Schuhschnallen, Bronzen, Walz- und Eisenwerke,
    Stadträte mit und ohne goldne Kette,
    Minister, mißgestimmt in Kaschmirhosen,
    Straußfedern, Hofball, Hummermayonnaise,
    Der Kaiser, Moltke, Gräfin Hacke, Bismarck –«
    »Outrier' Er nicht.«
    »Ich spreche nur die Wahrheit.
    Bescheidne Wahrheit nur. Er durchstudierte
    Die groß' und kleine Welt; was kreucht und fleucht,
    Er gibt es uns im Spiegelbilde wieder.
    Am liebsten aber (und mir schwoll der Kamm,
    Ich war im Gang, ›jetzt oder niemals‹ dacht' ich),
    Am liebsten aber gibt
die
Welt er wieder,
    Die
Fritzen
-Welt, auf der wir just hier stehn:
    Im Rundsaal, vom Plafond her, strahlt der Lustre,
    Siebartig golden blinkt der Stühle Flechtwerk,
    Biche (›komm, mein Bichechen‹) streift die Tischtuchecke,
    Champagner perlt, und auf der Meißner Schale
    Liegt, schon zerpflückt, die Pontac-Apfelsine ...«
     
    »Nun lass' Er nur. Ich weiß schon.«
    Und er lüpfte
    Den Hut und ging. Doch sieh, nur wenig Schritte,
    So hielt er wieder, wandte sich und winkte
    Mich an die Seit' ihm. »Hör Er, Herr; ein Wort noch:
    Er hat bestanden;

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