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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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ihren Bericht über die Unterhaltung, die sie mit angehört hatte. Dann kippte ich einen weiteren großen Whisky und ging zu Bett.
Ich hatte mein übliches Zimmer. Eine winzige Dachkammer von der Art, die Puccini zur Orchestration von Mimis Hinscheiden inspiriert hat. Zum Badezimmer hatte man da einen weiten Weg. Die großen Blumen und sich windenden Akanthusblätter der Tapete waren mit dem Alter dunkelbraun geworden, so daß das Muster kaum noch zu sehen war, und da in der Ecke war die kleine Kommode, die einst meine Briefmarkensammlung enthalten hatte, meine selbstgemachten Dietriche und den geheimen Schatz von Nazi-Insignien, die zu sammeln mir mein Vater streng verboten hatte.
Das Bett war frisch bezogen, und um die Wärmflasche fand ich einen Schlafanzug gewickelt. Es war ganz so, als hätte Werner gewußt, daß es nicht mehr lange dauern konnte, bis ich zur Vernunft käme.
Ich zog mich aus und legte mich ins Bett, meine Pistole steckte ich in einen Schuh, wo ich sie leicht erreichen konnte, dann schlief ich ein. Ich muß sehr müde gewesen sein, denn ich hatte allen Grund, wach zu bleiben und zu grübeln.

5
    In Lisls Hotel – aber vielleicht sollte ich mich jetzt daran gewöhnen, von Werner und Ingrids Hotel zu sprechen – gab es noch kein Telefon auf jedem Zimmer. Am nächsten Morgen um acht wurde an die Tür geklopft. Es war Richard, einer von Lisls Angestellten, den Werner übernommen hatte. »Herr Bernd«, sagte er. »A gentleman phoned, Herr Bernd. Herr Teacher. He comes here. Twelve hours sharply.« Richard war ein nervöser junger Mann, der, wie viele junge Deutsche, aus dem Bundesgebiet nach Berlin gekommen war, um der Wehrpflicht zu entgehen. Bei Lisl bekam er einen Job, lernte hier ein Mädchen kennen und hatte nun nicht vor, zu seinen Eltern nach Bremen zurückzukehren. Ab und zu rief sein Vater an und erkundigte sich, ob der Sohn auch nichts anstelle. Diese Anrufe kamen meist zu später Stunde, und gewöhnlich hörte sich der Vater betrunken an.
    Manchmal wünschte ich, daß Richard endlich aufhörte, sein Englisch an mir auszuprobieren, aber er wollte unbedingt seine Sprachkenntnisse verbessern. Er hatte den Ehrgeiz, an der Rezeption eines großen Luxushotels zu arbeiten, was ich Lisl aber nicht verraten sollte. Ich wahrte also sein Geheimnis und antwortete ihm auf englisch und sagte, ich würde unten zu Mittag essen, und wenn mein Besucher, Mr. Teacher, vorher käme, solle er ihn in die Bar führen und ihn einladen, mit mir zu essen. Richard sagte: »It is exactly as you say, Herr Bernd.« Er blinzelte nervös. Er hatte einen umfassenden Vorrat an Sätzen, die er in ganz passablem Englisch vorbringen konnte. Seine Schwierigkeit bestand darin, diese Bruchstücke so zusammenzusetzen, daß die Fugen nicht auffielen.
    »Thank you, Richard.«
»You are hotly welcome, Herr Bernd. Have a nice day.« »You too, Richard«, sagte ich.
Da ich nun wach war, verspürte ich ein überwältigendes Bedürfnis nach einer Tasse heißem, starkem Kaffee. So saß ich schon Viertel nach neun im Speisesaal – das Frühstückszimmer wurde gerade renoviert – mit Lisl, die Klara winkte, uns Kaffee zu bringen. Die treue Klara trug eine altmodische, gestärkte weiße Schürze mit Spitzenborten am Brustlatz. Lisl bezeichnete sie stets als »das Dienstmädchen«, aber Klara war schon ein sehr altes Mädchen. Sie war dünn und drahtig, ein vogelartiges Geschöpf mit hellen, kleinen Augen, das graue Haar trug sie zu einem festen Knoten geschlungen im Nacken, wie das in ihrer Jugend Mode gewesen war. Man sah ihr an, daß sie ihr Leben lang schwer gearbeitet hatte, geschuftet für Lisl, schon lange bevor das Haus in ein Hotel verwandelt wurde. »Und diesmal«, wies Lisl Klara nachdrücklich an, »tun Sie weniger Kaffee in die Kanne.«
    »Manche Leute mögen starken Kaffee«, sagte ich, aber Lisl winkte Klara zu, nicht auf mich zu hören. Als Klara außer Hörweite war, erklärte Lisl mir mit lauter, ernster Stimme: »Sie verschwendet Kaffee. Dabei ist der so teuer. Weißt du, was ich für diesen Kaffee bezahle?« Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Klara den Kopf wandte, um besser zu hören, was Lisl sagte. Ich wollte gerade erwidern, es sei doch allmählich Zeit, daß Lisl aufhörte, sich über solche Sachen den Kopf zu zerbrechen, und die Buchhaltung Werner und Ingrid zu überlassen. Aber das letzte Mal, als ich so etwas gesagt hatte, hatte ich damit eine entrüstete Tirade entfesselt, in der mir mit Nachdruck versichert

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