Gedrillt
meine Worte
Gefühl zu legen. »Bin ich wirklich. Aber jetzt ist’s höchste Zeit
auszusteigen. Komm mit nach Wien zurück. Dein KGBAusweis und meine Spezial-Identitätskarte würden uns durch
die Kontrollen bringen. Wir könnten die Abendmaschine nach
London nehmen.«
»Ich bin nicht sicher, daß das ginge. Die Grenzübergänge
sind heute alle an den Computer angeschlossen, Bernard.
Glaube mir, daß ich da Bescheid weiß.« Ich kannte diesen Ton.
Widerspruch war da zwecklos. Sie hatte mich millionenmal
sagen hören, daß in solchen Situationen die Entscheidung bei
den Agenten im Einsatz liegen sollte. Ich hatte mich für die
letzte Entscheidung immer auf meine praktische
Operationserfahrung verlassen. Jetzt hatte meine Frau sich im
Einsatz als die erfolgreichste Agentin überhaupt bewiesen. Sie
war bis in die Führungsspitze des Spionagenetzes des
Ostblocks aufgestiegen und hatte alle getäuscht. Ich hatte nicht
das Recht, ihr zu widersprechen. Leichthin, als wollte sie die
Unterhaltung auf weniger wichtige Angelegenheit lenken,
sagte sie: »Ich muß sicherstellen, daß der Computer mir grünes
Licht gibt, wenn ich komme. London hat mir, was die Papiere
angeht, was ganz Besonderes versprochen.«
»Sie haben gute Leute hier«, sagte ich, ohne das wirklich zu
glauben. Ich fragte mich, ob ihr die gefälschten Papiere von
Staiger besorgt wurden; hergestellt von denselben Gaunern, die
ihm seine Briefmarken und Umschläge fälschten.
»Ich weiß.«
»Und Erich Stinnes auch?« Wenn dereinst die Geschichte
des Departments geschrieben werden wird, wird kein Fiasko
der jüngeren Vergangenheit das Maß an Unschlüssigkeit und
Konfusion, deren die Institution fähig ist, besser demonstrieren
als ihr Verfahren mit Stinnes. Stinnes war ein unsicherer
Kunde, ein echter KGB-Offizier der alten Schule. Er hatte
gesagt, daß er zu uns überlaufen wollte, dann erhoben sich auf
beiden Seiten Zweifel, bis Stinnes als feindlicher Agent
eingestuft und in Haft genommen wurde. Bei einem Austausch
kam er schließlich in den Osten zurück.
»Stinnes wird vollkommen separat gehalten. So war das von
Anfang an geplant.« Sie machte eine Pause und wechselte
geringfügig das Thema. »Als du mir dieses Ekel Moskwin vom
Halse geschafft hast, war ich verdammt erleichtert. Er ahnte die
Wahrheit.«
»Er hat auch eine russische Kugel abgekriegt. Einer von
deinen Leuten hat auf ihn geschossen. Wußtest du das?« Sie
zeigte ein frostiges Lächeln.
Ich wollte es dabei nicht bewenden lassen. »Ich wünschte
…« Sie erhob eine Hand, um irgendwelche Beschuldigungen
meinerseits zu unterbinden, und sagte: »Wir haben nur noch
ein paar Minuten. Ich muß zurück nach Prag. Da findet morgen
diese verdammte Sicherheitskonferenz statt, und ich muß mich
darauf vorbereiten.« Der Hund bellte wieder, wilder diesmal,
und das Gebell endete in einem schrillen Jaulen, als hätte man
ihm einen Schlag versetzt.
»Ja, vier Uhr. Ich verstehe.«
»Etwas hat man dir also gesagt.«
Es war ein schwacher Witz, aber ich lächelte und sagte
entschuldigend: »Wir sind früh aus Wien weggefahren, aber da
war dieses Haydn-Festival und die Straßen …«
»Ich weiß«, sagte sie. »So ist das immer, wenn es wirklich
wichtig ist. So sagtest du immer.«
»Wenn ich zu spät kam?«
»Nein, das meinte ich nicht, Bernard.« Sie blickte rasch auf
ihre Uhr. »Da ist noch was …« sagte sie. »Mein Pelzmantel.
Ich habe ihn bei meiner Schwester Tessa gelassen. Ich habe
Angst, daß sie ihn vielleicht verkauft oder verschenkt oder
sonstwie …« Ich erinnerte mich des Mantels. Er war ein
atemberaubendes Geburtstagsgeschenk ihres Vaters, der ihr zu
jener Zeit unbedingt beweisen wollte, wie sehr er sie liebte und
wie reich und erfolgreich er war. Der gewaltige, seidige
Zobelpelz muß Tausende gekostet haben. Fiona war immer
lautstark gegen Kleidung aus Tierfellen gewesen, aber
nachdem sie den Mantel einmal anprobiert hatte, schienen ihre
moralischen Vorbehalte gegen den Pelzhandel sich zu
verflüchtigen. »Und was soll ich tun?«
»Du mußt ihn von ihr zurückbekommen.«
»Naja«, sagte ich zögernd, »ich kann aber doch nicht sagen,
daß ich mit dir gesprochen habe.«
»Du wirst dir schon was einfallen lassen«, meinte sie. Und
damit war die Sache mein Problem. Fiona wußte, daß ein guter
Manager delegiert.
Es herrschte das verlegene Schweigen, das nur ein
englisches Ehepaar sich zuzumuten den Nerv hat. »Und sonst
ist alles in Ordnung? Den Kindern geht es gut?« fragte sie
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