Gedrillt
Raum, in dem wir uns vor dem Essen aufgehalten hatten. Er schritt durch das Zimmer, zog sein Jackett aus und warf es auf einen Stuhl. Langsam, wie ein aufgestörtes Reptil, entrollte sich das Jackett und glitt zu Boden. Brody schien es nicht zu bemerken. Ich antwortete nicht. Brody sah mich an und dann Harry. Ich empfand die Verlegenheit, in die man gerät, wenn man zufällig Zeuge wird, wie sich ein glücklich verheiratetes Paar plötzlich durch einen wilden Ehekrach verwandelt. In der Stille wurde einem das Geräusch des Verkehrs bewußt, das ein endloses Tosen war, wie ferner Donner.
Als Harry merkte, daß ich nicht vorhatte, Brody zu sagen, ob wir fertig seien, sagte er: »Noch nicht ganz, Joe.«
»Jesus Christus!« Und dann, noch wütender: »Jesus Christus!«
»Nur noch eine Akte«, sagte Harry reumütig. »Haben Sie ihn wegen Salzburg gefragt?« sagte Brody und sprach von mir, als sei ich nicht anwesend. »Ich wußte nicht genau, ob es Ihnen recht ist, daß ich davon anfange«, sagte Harry.
»Setzen Sie sich, Bernard«, sagte Brody. Er brachte ein nervöses, flüchtiges Lächeln zustande, als wolle er mir zu verstehen geben, daß er mich in seinen Streit mit Harry nicht einbezog, aber etwas von seinem Zorn schwappte über. »Wollen Sie was zu trinken, Joe?« sagte Harry, noch immer bemüht, Brodys Zorn zu besänftigen.
»Nein, ich will keinen gottverdammten Drink, was ich will, ist, daß hier endlich mal ein bißchen gearbeitet wird.« Brody griff sich an die Nase, als sei er im Begriff, eine Dosis ekliger Medizin zu schlucken. Harry murmelte etwas von einem Glas Club-Soda, das er jetzt brauche, ging und goß sich eins ein. Ich hatte den Feinen Harry niemals auch nur im geringsten erregt gesehen, aber jetzt zitterten seine Hände.
Brody sank in den Sessel mir gegenüber und seufzte. Plötzlich sah er erschöpft aus. Sein Krawattenknoten hatte sich gelöst, seine Weste war zum Teil aufgeknöpft, und ein großer Teil seines Hemds lag jetzt als zerknautschter Rettungsring um seine Mitte. Seine schlechte Laune hatte sein Äußeres und seine körperliche Spannkraft in Mitleidenschaft gezogen. Aber meine Erwartungen, er würde seine Stimmung mäßigen, wurden durch den rauhen Ton enttäuscht, in dem er fortfuhr: »Einer von unseren Leuten ist in die Luft gesprengt worden in Salzburg. Haben Sie davon gehört?«
»Ich war da«, sagte ich.
»Natürlich waren Sie da. Was genau ist passiert, Bernard?«
»Es war also einer von Ihren Leuten?«
»Ich habe Sie gefragt, was genau passiert ist.«
»Ich weiß nicht, was genau passiert ist«, sagte ich.
»Also, stellen Sie sich jetzt bitte nicht dumm, Bernard. Ich habe nicht ewig Zeit und bin auch nicht in der Laune.«
»Ich kann Ihnen nichts erzählen, was die polizeiliche Untersuchung nicht schon ergeben hat.«
»Haben Sie den Polizeibericht gesehen?«
»Nein«, gab ich zu.
»Wie zum Teufel wollen Sie es also wissen?« Er faßte sich wieder an die Nase und beendete die Gebärde dann, indem er sich heftig mit der flachen Hand den Mund rieb. Allem Anschein nach zugehe sich mit dieser Gebärde ein Mann, der in Gefahr war, sich zu einem echten Wutausbruch hinreißen zu lassen.
»Immer langsam, Mr. Brody«, sagte ich. »Es handelte sich um eine durch Leitungselektrizität gezündete Sprengladung. Ihr Mann Johnson starb. Das ist ungefähr alles, was ich Ihnen erzählen kann.«
»Würden Sie Johnson bitte beschreiben?«
»Nett und umgänglich. Ziemlich groß, in guter körperlicher Verfassung, aber etwas übergewichtig. Braunes, welliges Haar, Kinnbart, kein Schnurrbart. Bifokale Brille mit Goldrand.«
»Das reicht. Wer hat das Ding gelegt?«
»Keine Ahnung.«
»Ich glaube doch«, sagte Brody und ließ seine Stimme etwas bedrohlicher werden.
»Dann geben Sie mir einen Tip«, sagte ich.
»Ich stelle hier die Fragen«, sagte Brody. »Denken Sie noch mal scharf nach.«
»Ich habe Ihnen schon gesagt, was ich weiß, Mr. Brody.«
Er saß da und funkelte mich an.
»Ich werde Sie noch einmal fragen, Bernard. Ich will diese Sache in aller Form durchgehen.«
»Sie können sie in jeder Form haben, in der Sie sie wünschen«, sagte ich. »Ich hab’s Ihnen einmal gesagt und sag’s Ihnen gern noch mal. Ich weiß nichts.«
»Unser Junge«, sagte er und hielt inne. Ich hatte vergessen, daß leitende Angestellte der CIA immer von »unseren Jungens« sprechen. Als er fortfuhr, sprach er in der abgerissenen Weise, die immer verrät, daß der Sprecher erregt ist. »Unser Junge hieß Bart Johnson. Er
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