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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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andererseits zu lange wartet, riskiert man, daß einem ein anderer Händler die ganze Sammlung vor der Nase wegschnappt … für einen Pappenstiel manchmal, wenn die Hinterbliebenen nicht wissen, was sie geerbt haben. Es gibt eine ganze Menge skrupelloser Burschen in dieser Branche, sage ich Ihnen.«
    »Ich fange an, es zu glauben«, sagte ich.
    »Irgendwas nicht in Ordnung mit Ihrem Tee?«
    »Nein, er ist lecker.«
    »Sie trinken ihn nicht.«
    »Dazu komme ich schon noch.«
    »Die Witwe war eine reiche Frau. Die Sammlung war ihr unwichtig. Als ich hinging und danach fragte, beschloß sie, mich zum Agenten zu nehmen, um die Sachen zu schätzen und alles zu verkaufen. Das brachte mich hinsichtlich des anderen

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    Sammlers in eine schwierige Lage, aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, daß er als Käufer dafür wirklich in Frage käme. Umschläge dieser Art sind sehr selten, man kennt nur vier oder fünf. Beim letzten Mal, als einer davon zur Auktion gekommen war, erzielte er fünfzigtausend Dollar, und das war vor fast zehn Jahren. Selbst wenn dieser nicht mehr brachte als jener, hätte ihn sich mein Freund, der Versicherungsangestellte, nicht leisten können.«
    Ich sah mir den Umschlag an. »Fünfzigtausend Dollar?«
    Konnte das wahr sein?
    Hoffmann nickte, diesmal ohne zu lächeln. Diese Philatelisten waren ernsthafte Leute. »Im diesjährigen Katalog werden die Marken allein schon fast auf diesen Wert geschätzt; aber natürlich sind, wie gesagt, die Katalogpreise immer zu niedrig angesetzt. Aber ich habe einen Interessenten in München … Er hat deswegen schon dreimal angerufen. Der Gedanke, das Ding zu besitzen, macht ihn rasend, und er will es unbedingt sehen … Ich wüßte gerne, was er dafür ausgeben will. Er läßt sich seine Sammlung eine Menge kosten.«
    »Und Ihr Freund, der Versicherungsangestellte?«
    »Der Idiot! Der beklaute seine Firma. Machte eine untergeschobene Forderung geltend, fälschte einen Scheck, zahlbar an sich selbst. Können Sie das glauben? Er wurde sofort geschnappt. Bekannte sich schuldig. Seine Firma sagte, sie müsse Anzeige erstatten, schon um die übrigen Angestellten von solchen Machenschaften abzuschrecken. Sie haben natürlich recht, und er weiß das. Ich habe ihn gestern besucht.«
    »Im Gefängnis?« Ich reichte Hoffmann den Umschlag zurück.
    »Ja, in Graz. Ich sagte für ihn vor Gericht aus. Ich bezeugte, er sei ehrlich und anständig, aber der Beweislage nach war er ein Dieb.«
    »Er muß sich gefreut haben, Sie zu sehen«, sagte ich.

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    »Ich verkaufe jetzt auch seine Sammlung. Er ist völlig pleite. Die Rechtsanwälte haben ihm den letzten Pfennig genommen. Er verkauft alles.« Hoffmann steckte den Umschlag wieder in die Tasche.
    »Macht Sie das nicht nervös, eine solche Wertsache so mit sich herumzuschleppen?«
    »Nervös? Nein.«
    »Wie lautete das Urteil?«
    »Mein Kunde?« Er sprach durch den Mund voll
    Rumbiskuit.
    »Der Versicherungsmann.«
    Er nahm sich die Zeit, seinen Kuchen hinunterzuschlucken, und trank dann etwas Tee. »Fünf Jahre. Ich habe ihm ein Farbfoto dieses Umschlags gebracht.« Er klopfte auf seine Tasche. »Und der Gefängnisdirektor hat ihm eine Sondererlaubnis gegeben, das Bild in seiner Zelle zu haben.«
    Hoffmann nippte an seinem Glas. »Der Witz ist, daß ich inzwischen geneigt bin, das Ding für eine Fälschung zu halten.
    In welchem Fall es wertlos wäre.« Er lachte auf seinen Teller hinab, als versuche er zu widerstehen, aß aber schließlich den Rest des Kuchens.
    »Wußten Sie das von Anfang an?«
    »Nicht mit Sicherheit.« Er wischte sich die Lippen ab.
    »Sie hatten aber den Verdacht?«
    »Ich habe den Umschlag unter ultraviolettes Licht gelegt.
    Man kann nicht vorsichtig genug sein. Dann habe ich ihn einem gezeigt, der Bescheid weiß. Ich bin noch immer nicht sicher, was ich davon halten soll.« Er trank noch etwas Tee.
    »Sind Sie sicher, daß Sie nicht ein Sahnetörtchen wollen? Sie sind köstlich hier, federleicht.«
    »Nein, danke.«
    »Das ist eine Schwäche von mir«, gestand er. Er hatte die Kugel verzehrt, aber einen großen Klacks Schlagsahne am Tellerrand liegen lassen. »Nicht mal einen Apfelstrudel?«

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    »Nein.«
    »Sie gehen also auf die Auktion und bieten für die Partie Nr.
    584.
    Die sollte ungefähr um zehn Uhr vormittags dran sein, aber gehen Sie sicherheitshalber ein bißchen früher hin.« Ich sah ihn an. Das waren also meine Instruktionen: Die Londoner Zentrale hatte mich zum Kaufen

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