Gedrillt
Türen des Opernhauses quollen. Doch dann ließ das Gedränge nach, denn wenige Leute wandten sich in Richtung der engen Straßen der Innenstadt. Bald war ich allein, und das Echo meiner Schritte
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begleitete mich an dunklen Läden und geschlossenen Cafés vorbei. Die Wiener Innenstadt geht früh schlafen.
Die Adresse, die ich suchte, war in einer engen, schlecht beleuchteten Gasse, in der sich hauptsächlich
Antiquitätengeschäfte befanden, hinter Fassaden, die so verwahrlost waren, wie es sich nur die exklusivsten Antiquitätengeschäfte leisten. Durch die düsteren Schaufenster schimmerten prächtige Orientteppiche, polierte Möbel und altes Glas. An der Tür eines Ladens befand sich ein Messingschild mit der diskreten Inschrift »Karl Staiger«. Ich drückte den Klingelknopf. Es dauerte lange, ehe irgend jemand reagierte. Auch dann öffnete sich nur in einer oberen Etage ein Fenster, das sich kurz darauf wieder schloß. Durch das Schaufenster konnte ich sehen, wie schließlich hinten im Laden ein trübes Licht anging, das die Möbel und die Gestalt eines kurzen, rundlichen Mannes umriß, der sich durch die ausgestellten Objekte einen Weg zur Tür suchte. Er öffnete die Tür nur so weit, wie es die Sicherheitskette zuließ. Durch den Spalt rief er: »Ja, was ist?«
»Ich suche den Herrn Baron Staiger«, sagte ich. »Ich komme aus Salzburg.« Ich vernahm einen Seufzer. Die Tür wurde geschlossen und die Sicherheitskette ausgehakt.
Als er die Tür öffnete, um mich in Augenschein zu nehmen, sah ich, daß er kein anderer als Otto Hoffmann war. Daß ich ihn nicht gleich erkannt hatte, war entschuldbar, denn dieser hier war ein viel nüchternerer Typ als der vergnügte kleine Mann, der mir in Salzburg dreitausend Schilling gegeben und einen Vortrag über Philatelie gehalten hatte. Jetzt war er in Gesellschaftskleidung, trug ein gestärktes Hemd mit Frackschleife und eine farbenprächtig bestickte Smokingjacke.
Er starrte mich einen Augenblick lang an, ohne zu antworten.
Es war fast, als versuche er einen Vorwand zu finden, mich wegzuschicken. Widerstrebend sagte er aber dann: »Hallo, Samson.« Keine warmherzige Begrüßung. »Sie sollten doch
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anrufen.«
»Ich konnte nicht.«
»Warum nicht?«
»Kein Kleingeld«, sagte ich scherzend. »Also kommen Sie rein. Hier in Wien bin ich von Staiger.«
Wie Hoffmann sprach von Staiger reines Wienerisch. Er ließ mich eintreten, und ich wartete, während er umständlich die Ladentür wieder verschloß, verriegelte und zukettete. Er schaltete im Laden das Licht aus und führte mich nach hinten und eine enge Holztreppe hinauf. Aus dem Keller kamen die Gerüche von Bindemitteln, frischen Hobelspänen und Politur, die gemeinsam die Tischlerwerkstatt verraten. In den oberen drei Etagen lagen Wohnräume, im Treppenhaus hingen Stiche und Stickereien in alten Rahmen, und auf dem Treppenabsatz stand eine schöne, fabelhaft erhaltene Eichenkommode. Die Wohnräume dienten wohl zum Teil auch als Schauräume. Als wir uns der obersten Etage näherten, hörte ich von dort Musik, und Küchendüfte oder jedenfalls die Dünste früherer Speisezubereitung ersetzten die Chemiegerüche des Kellers.
»Ich habe Gesellschaft«, erklärte Staiger. »Hängen Sie Ihren Mantel dort auf, und lassen Sie Ihre Tasche da. Wir unterhalten uns später.«
»Okay.«
In der obersten Etage des Hauses hatte man aus zwei kleinen Zimmern eines gemacht, worin sich jetzt etwa ein Dutzend Leute befanden. Alle waren auf die extravagante Weise kostümiert, die ich in London als Karnevalsmaskerade zu deuten versucht gewesen wäre. Die Frauen trugen haufenweise Schmuck und tief dekolletierte Kleider, eines davon aus rauchfarbener Seide mit Volants und ein anderes spektakuläres Modell mit altem Spitzenbesatz. Die Männer trugen Abendanzüge mit Kummerbunden in prächtigen Farben oder Schärpen, und einige der älteren Herren hatten ihre Orden angelegt. Dieser Baron von Staiger hatte nichts von der
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Vergnügtheit, die ich in Salzburg an Hoffmann bemerkt hatte.
Er machte keinen Versuch, mich seinen Gästen vorzustellen, sagte zu denen, die uns bei unserem Eintreten fragend ansahen, unwillig: »Das ist Samson, ein Freund aus Salzburg.« Ich war feucht. Der schwere Regen war durch meinen Trenchcoat gedrungen, und mein zerbeulter alter Anzug hatte überall Falten, wo keine hingehörten. Sie betrachteten mich ohne Begeisterung. In der Ecke rang ein Pianist mit George Gershwin, wobei beide
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